Leitsatz
Einkünfte aus Kapitalvermögen können erst geschätzt werden, wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige überhaupt über Kapitalvermögen verfügt. Kann dies nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, so kann im Wege der Schätzung gemäß § 162 AO nicht dieses Vermögen zunächst in einer gewissen Höhe unterstellt und danach wahrscheinlich daraus fließende Kapitaleinkünfte geschätzt werden.
Sachverhalt
Bei einer Grenzkontrolle, bei der Einreise des Klägers von Luxemburg nach Deutschland, wurde ein Depotauszug vom Vortag über Wertpapiere mit der Bezeichnung 746/1134/003 Lux 1134 zu einem Tageswert vom 1,8 Mio. DM sowie Bargeld in Höhe von DM 60.000,- vorgefunden. Der Kläger machte zunächst keine Angaben über die Herkunft und die Umstände des Kontoauszuges. Auch weitere Ermittlungsmaßnahmen brachten keine weiteren Erkenntnisse zu Tage. Im weiteren Verlauf des Verfahrens gab der Kläger dann an, das Konto gehöre einem Steuerausländer und belegte dies durch dessen schriftliche Bestätigung. Das Finanzamt wies die Einlassung als unglaubwürdig zurück und schätzte auf Grund eines Vermögens von 1,8 Mio. DM Kapitalerträge für jedes Streitjahr, wogegen schließlich Klage zum Finanzgericht eingereicht wurde.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat der Klage stattgegeben. Zwar können Grundlagen der Besteuerung nach § 162 AO geschätzt werden, wenn die Finanzbehörde diese nicht ermitteln kann. Voraussetzung ist jedoch stets, dass ein Lebenssachverhalt mit hinreichender Sicherheit festgestellt wird, aus dem sich die Besteuerungsgrundlagen ergeben. Im entschiedenen Fall hätte also mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden müssen, dass das dem Kontoauszug zuzuordnenden Wertpapierdepot in Luxemburg tatsachlich den Kläger gehört. Erst wenn dies feststeht, können die daraus fließen Erträge geschätzt werden. Nach der Überzeugung des Gerichts waren mehrere Lebenssachverhalte gleich wahrscheinlich: Das Depot könnte einerseits tatsächlich der benannten Auskunftsperson gehört haben, der nicht der deutschen Steuerpflicht unterliegt. Andererseits war denkbar, dass das Vermögen, das nicht aus den Erträgen der Kläger erwirtschaftet werden konnte, den sehr vermögenden Schwiegereltern der Kläger zuzurechnen ist. Zwar hat der Kläger zu Beginn des Verfahrens den Finanzbehörden eine Abgeltungssteuer in Höhe von DM 40.000 bis DM 60.000 angeboten und sich darüber hinaus in mehrere Widersprüche verwickelt. Das Gericht konnte sich jedoch nicht einen ausreichenden Überzeugungsgrad dazu bilden, dass der Kläger Depotinhaber war. Einen reduzierten Überzeugungsgrad auf Grund unterlassener Mitwirkungspflichten des Klägers schließt das Gericht aus: Mit der Erklärung des Inhabers des Depot, der Steuerausländer ist, habe der Kläger seine Mitwirkungspflichten erfüllt, so dass hier letztendlich kein Raum für eine Schätzung ist. Auch eine Treuhänderschaft hat das Gericht nicht gesehen, da der vorgefundene Depotauszug keinerlei namentliche Angaben zum Kläger aufwies und damit schon die Voraussetzung für eine Treuhänderschaft für eine andere Person fehlt.
Hinweis
Ein den Depotinhaber nicht ausweisender Kontoauszug, der bei einen Managementberater aufgefunden wird, der auch mit Vermögensangelegenheiten von Kunden oder nahen Verwandten betraut sein könnte, reicht als Tatsache alleine nicht aus, um dem Berater den dargestellten Vermögenswert auch zuzuordnen. Ausschlaggebend war möglicherweise, dass intensivste Fahndungsmaßnahmen in Geschäftsräumen, Banken und Wohnungen nicht zu weiterem belastenden Beweismaterial geführt haben. Unter diesen Umständen geht das Finanzgericht zutreffend davon aus, dass mehrere Lebenssachverhalte mit dem unbenannten Kontoauszug belegt werden könnten. In diesem Fall aber fehlt es an der Grundlage jeder Schätzung von Besteuerungsgrundlagen, dass nämlich ein Ertrag bringender Lebenssachverhalt tatsächlich festgestellt werden kann. Erst danach sind zulässige Schätzungen des Finanzamtes möglich. Das Gericht hat also in der Tatfrage sehr sauber begründet und den Kreis möglicher Schätzungssachverhalte zutreffend beschränkt.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.11.2002, 3 K 1659/00