Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung bei Erledigung der Hauptsache
Leitsatz (redaktionell)
Das dem Gericht in § 138 Abs. 1 FGO eingeräumte Ermessen ist gebunden; es hat sich insbesondere am mutmaßlichen Ausgang des Verfahrens zu orientieren und geht grundsätzlich über die bei einer streitigen Entscheidung zu beachtenden Umstände nicht hinaus.
Nach Erledigung einer zulässigen Untätigkeitsklage können dem Kläger die Kosten des Verfahrens nicht mit der Begründung auferlegt werden, er hätte vor Erhebung der Klage die Einspruchsentscheidung anmahnen müssen.
Normenkette
FGO § 138 Abs. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten war streitig, ob ein Übernahmeverlust nach § 18 Abs. 2 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) den Gewerbeertrag mindert.
Aus der Verschmelzung mit ihrer früheren Organgesellschaft entstand der Klägerin (Klin.) unstreitig per Saldo ein Übernahmeverlust von ... DM (im Einzelnen: Übernahmegewinn: ... DM; Übernahmeverlust ... DM). Die Klin. machte deswegen in den Streitjahren Abschreibungen von jeweils ... DM (hilfsweise: ... DM) geltend. Das beklagte Finanzamt (FA) versagte bei der Ermittlung des Gewerbeertrags den Abzug unter Hinweis auf Tz. 18.02 des UmwStG-Erlasses vom 25. März 1998.
Gegen die Gewerbesteuer-Messbescheide (GewSt-MB) für 1995 und 1996 legte die Klin. Einsprüche ein und erhob zu den Aktenzeichen V 129/99 (GewSt-MB 1995) und V 159/99 (GewSt-MB 1996) Sprungklage zum Finanzgericht, der das FA nicht zustimmte. Mit dem vom FA vorgeschlagenen Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) über dieselbe Rechtsfrage erklärte sich die Klin. nicht einverstanden und verlangte mit Schreiben vom 17. August 1999 die Fortsetzung des Verfahrens. Es sei nicht gesichert, dass die Finanzverwaltung eine für die Klin. günstige Entscheidung des BFH übernehmen und den UmwStG-Erlass ändern werde. Am 20. Juni 2000 hat der BFH entschieden, dass § 18 Abs. 2 UmwStG 1995 in der bis zum 31. Dezember 1998 gültigen Fassung die Erfassung von Übernahmeverlusten bei der Gewerbesteuer nicht ausschließt (VIII R 4/99 und VIII R 5/99).
Am 27. September 2000 hat die Klin. gemäß § 46 Finanzgerichtsordnung (FGO) Klage erhoben und - unter Bezugnahme auf die früheren Sprungklagen - beantragt, den Gewerbeertrag in den Streitjahren um jeweils ... DM, hilfsweise um ... DM niedriger festzusetzen. Der Berichterstatter des Senats hat dem FA mit Zustellung der Klage eine Frist zur Stellungnahme und Übersendung der Akten bis zum 30. November 2000 gesetzt. Mit Schriftsatz vom 30. November 2000 hat das FA angekündigt, der Klage nach dem Hilfsantrag abhelfen zu wollen. Die Änderungsbescheide sind am 11. Januar 2001 zur Post gelangt. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Unter diesen Umständen war nur noch durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden, § 143 Abs. 1 FGO. Es entsprach billigem Ermessen, die Kosten verhältnismäßig zu teilen, § 138 Abs. 1 FGO. Nachdem die streitige Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt war, hätte die nach übereinstimmender und zutreffender Auffassung der Beteiligten von Anfang an zulässige Klage im Umfang der Abhilfeentscheidung voraussichtlich Erfolg gehabt. Insoweit hat das FA die Kosten zu tragen. Soweit die Klin. ihr Begehren nicht weiterverfolgt, fallen die Kosten dagegen ihr zur Last. Der Senat hat angesichts des hohen Streitwerts die verhältnismäßige Teilung der Kosten für angemessen erachtet und die Quote nach dem Verhältnis der begehrten zu der erzielten Abänderung des Gewerbesteuer-Messbetrags bestimmt.
Die Klin. war nicht gehalten, vor Erhebung der Untätigkeitsklage die Einspruchsentscheidung anzumahnen. Dadurch wäre der vorliegende Rechtsstreit zwar möglicherweise vermieden worden. Der Senat ist auch der Auffassung, dass es sachdienlich und wünschenswert wäre, dem FA in vergleichbaren Fällen die Erhebung der Untätigkeitsklage anzukündigen, um noch einmal Gelegenheit zur Abhilfe zu schaffen. Das gilt insbesondere dann, wenn das FA - wie hier - die Entscheidung von dem Ausgang eines Revisionsverfahrens abhängig machen wollte und der Klin. bei der Erhebung der Untätigkeitsklage die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des BFH bekannt sein konnte.
Das ändert aber nichts daran, dass die Kostenentscheidung zu Lasten des FA ausfällt. Das dem Gericht in § 138 Abs. 1 FGO eingeräumte Ermessen ist gebunden; es hat sich insbesondere am mutmaßlichen Ausgang des Verfahrens zu orientieren und geht grundsätzlich über die bei einer streitigen Entscheidung hinsichtlich der Kosten zu beachtenden Umstände nicht hinaus.
Die gegenteilige Auffassung (Finanzgericht Bremen, Beschluss vom 23. Juni 1999 298353 K 2, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1999, 855 m. w. N.; Finanzgericht Nürnberg, Beschluss vom 14. November 1996 I 191/96, Nachweis: JURIS) überschreitet nach Auffassung des Senats die Ermessensermächtigung in § 138 Abs. 1 FGO, indem sie - ohne praktikable Kriterien dafür anzugeben, wann die Anmahnung der Einspruc...