Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlust der wirtschaftlichen Identität einer Kapitalgesellschaft durch Umstrukturierung des Geschäftsbetriebs
Leitsatz (redaktionell)
§ 8 Abs. 4 KStG stellt über den Missbrauchsgedanken hinaus konkrete sachliche Voraussetzungen für den Verlustabzug auf. Die erforderliche wirtschaftliche Identität der Kapitalgesellschaft kann auch im Falle der Aufstockung von Anteilen durch Altgesellschafter entfallen. Auch die Wiederherstellung einer zu früherer Zeit gehaltenen Mehrheitsbeteiligung kann zum vollständigen Wegfall des Verlustabzugs führen.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 4, 4 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin war eine zweigliedrige GmbH. Die Beteiligten streiten über die Frage, ob ihre wirtschaftliche Identität im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) im Anschluss an die Übertragung der Anteile des Mehrheitsgesellschafters auf den Minderheitsgesellschafter und eine damit einhergehende geschäftliche Umstrukturierung verloren gegangen ist.
Die Klägerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 25. November 1997 mit einem Stammkapital von 100.000 DM gegründet. Gründungsgesellschafter waren Herr … (nachfolgend X) mit einem Geschäftsanteil von 51.000 DM und Herr … (nachfolgend Y) mit einem Geschäftsanteil von 49.000 DM. Mit Vertrag vom 17. Mai 2001 teilte X einen Anteil von 21.000 DM ab und übertrug diesen auf Y, welcher seine Beteiligung von 49 % auf 70 % erhöhte. Am 30. Dezember 2002 beschlossen die Gesellschafter die Euro-Umstellung und gleichzeitige Erhöhung des Stammkapitals auf 81.130 Euro. Y stockte seine Beteiligung von 70.000 DM auf 56.800 Euro (= 70,01 %) auf. X erhöhte seinen Stammkapitalanteil auf 24.330 Euro (= 29,99 %). Mit Vertrag vom 22. Januar 2003 erwarb X von Y zum Stichtag 1. Januar 2003 sämtliche Geschäftsanteile zum Preis von 1 Euro. Bis zum 31. Dezember 2002 betrieb die Klägerin den Einzelhandel mit Unterhaltungselektronik und ab Januar 2003 eine Videothek nebst Vermittlung von Internetverkäufen. Der verbleibende Verlustvortrag auf den 31. Dezember 2002 ist auf 121.760 Euro festgestellt. In ihrer KSt-Erklärung 2003 begehrte die Klägerin den in 2003 erzielten Gesamtbetrag der Einkünfte mit dem vorgenannten Verlustvortrag zu verrechnen.
Im Anschluss an eine 2005 durchgeführte Außenprüfung gelangte der Beklagte - das Finanzamt (FA) - u.a. zu der Überzeugung, dass infolge der Anteilsübertragung auf X sowie der Veränderung im Betriebsvermögen die wirtschaftliche Identität der Klägerin ab 2003 entfallen sei. Es lehnte deshalb eine Gewinnverrechnung für 2003 ab und stellte den verbleibenden Verlustvortrag auf den 31. Dezember 2003 auf 0 Euro fest. Den Einspruch der Klägerin wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2005 (Mittwoch) zurück: Die 50%-Grenze gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG beziehe sich allein auf das Nennkapital der Gesellschaft. Es sei unerheblich, ob die Anteile gegen Entgelt oder unentgeltlich übertragen worden seien. Dass X bereits von 1997 - 2001 Mehrheitsgesellschafter der Klägerin gewesen sei, sei ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Die Gesellschaft sei in 2003 auch mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortgesetzt worden. Dies ergebe sich aus den vorliegenden Jahresabschlüssen und sei von der Klägern nicht in Abrede gestellt worden.
Mit der am 16. November 2005 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend:
Ein Gesellschafterwechsel spiele sich auf einer anderen rechtlichen wie steuerlichen Ebene ab und berühre deshalb nicht die Identität der Kapitalgesellschaft. Unabhängig davon könne hier bei vernünftiger Würdigung des Sachverhalts auch nicht von einer Übertragung von mehr als der Hälfte der Anteile ausgegangen werden. X habe den zuvor an Y übertragenen 21%igen Anteil wieder zurückerworben, so dass im Ergebnis der Y lediglich einen 49%igen Anteil übertragen habe. Auch der Gesetzeszweck spreche für eine Klagstattgabe. Ziel des § 8 Abs. 4 KStG sei die Eindämmung eines als missbräuchlich angesehenen Handels mit Verlustvorträgen. Ein solcher Sachverhalt sei hier nicht gegeben. X sei von der Gründung der Gesellschaft bis zum 31. Mai 2001 ihr Mehrheitsgesellschafter gewesen und sei ab Januar 2003 sogar zum alleinigen Gesellschafter aufgerückt. Lediglich für den Zeitraum 1. Juni 2001 bis 31. Dezember 2002 habe er vorübergehend nur über eine Minderheitsbeteiligung verfügt. Die wirtschaftliche Identität der Klägerin sei daher durch den Anteilserwerb aus 2003 nicht verloren gegangen, sondern wiederhergestellt worden. In jedem Falle aber müsse der bis zum 31. Dezember 2000 unter der Mehrheitsbeteiligung des X aufgelaufene Verlust, welcher mit Bescheid von 7. Juni 2002 auf 155.900 DM festgestellt worden sei, Berücksichtigung finden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2003 vom 8. April 2005 in Gestalt de...