rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung eines Schenkungsteuerbescheides als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
Leitsatz (amtlich)
Bei der in § 29 Abs. 2 ErbStG enthaltenen rückwirkenden Fiktion, nach der der ursprüngliche Erwerber (rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Erwerbs) wie ein Nießbraucher besteuert wird, handelt es sich um eine Wertberechnungsvorschrift, die ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellt.
Normenkette
ErbStG § 14 Abs. 1, § 23 Abs. 1, § 29 Abs. 2; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die auf der Rückabwicklung einer Grundstücksschenkung beruhende Aufhebung eines Schenkungsteuerbescheides ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) darstellt, welches sich auf den nachfolgenden, nach § 14 ErbStG ergangenen, bestandskräftigen Schenkungsteuerbescheid auswirkt.
Dem Kläger wurde von dessen Mutter M mit Vertrag vom 04.05.1988 das in X belegene Grundstück unentgeltlich übertragen. Der Kläger übernahm auch das zu Gunsten seines Vaters eingetragene, lebenslängliche Nießbrauchsrecht. Darüber hinaus räumte der Kläger seiner Mutter für den Fall des Ablebens seines Vaters ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Grundstück ein. Das Finanzamt erließ zu dem Vorgang am 23.01.1989 einen Schenkungsteuerbescheid.
Mit Vertrag vom 27.12.1990 trat der Kläger mit Wirkung zum 01.01.1990 als Kommanditist in die ... KG mit einer Einlage in Höhe von 100.000 DM ein. Die Einlage des Klägers wurde dadurch erbracht, dass die Kommanditisten A und M in Höhe von jeweils 50.000 DM Kommanditeinlagen an den Kläger unentgeltlich abtraten.
Diesen Erwerb berücksichtigte das Finanzamt mit Schenkungsteuerbescheid vom 22.12.1998, aus hier nicht streiterheblichen Gründen geändert durch Bescheid vom 17.08.1999: Das Finanzamt setzte eine Schenkungsteuer in Höhe von insgesamt 7.074 DM fest. Im Rahmen der zu Grunde liegenden Steuerberechnung berücksichtigte es dabei den Vorerwerb der unentgeltlichen Grundstücksüberlassung aus dem Jahre 1988 in Höhe von 101.754 DM.
Beide Steuerbescheide wurden bestandskräftig.
Die unentgeltliche Grundstücksüberlassung wurde aufgrund eines bereits im ursprünglichen Vertrag vereinbarten Rücktrittsrechts in 2003 rückabgewickelt (Umschreibung im Grundbuch 26.08.2003). Mit Verwaltungsakt vom 06.02.2004 hob das Finanzamt den Schenkungsteuerbescheid vom 23.01.1989 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO auf.
Den Antrag, den Schenkungsteuerbescheid vom 17.08.1999 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO aufgrund der rückgängig gemachten Grundstücksübertragung zu ändern, lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 21.01.2005 ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg und wurde mit Einspruchsentscheidung vom 22.03.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Inhalte des Antrags, des Ablehnungsbescheides, des Einspruchs und der Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen.
Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, dass die Rückabwicklung der Grundstücksschenkung auch, soweit sie als steuerpflichtiger Vorerwerb im Schenkungsteuerbescheid vom 17.08.1999 erfasst worden sei, zu einer Änderung des vorbezeichneten Bescheides gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO führen müsse.
Der Kläger beantragt,
den Schenkungsteuerbescheid vom 17.08.1999 unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 21.01.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.03.2006 dergestalt zu ändern, dass die Schenkungsteuer ohne Berücksichtigung des auf die unentgeltliche Grundstücksübertragung entfallenden Vorerwerbs berechnet und festgesetzt wird.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht es sich im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung.
Beigezogen und Gegenstand des Verfahrens waren zwei Bände Schenkungsteuerakten des beklagten Finanzamts zu den Steuernummern ... und ... .
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der streitgegenständliche Bescheid verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Voraussetzungen zur Änderung des Schenkungsteuerbescheides vom 17.08.1999 lagen vor.
Zutreffend ist das Finanzamt in Bezug auf den Schenkungsteuerbescheid vom 23.01.1989 davon ausgegangen, dass im Hinblick auf die Rückauflassung unter Anwendung der §§ 29 Abs. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG), 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ein rückwirkendes Ereignis vorliegt. Das Zusammenspiel dieser Regelungen trägt dem Umstand Rechnung, dass ein wirtschaftliches Ergebnis (hier die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks) nicht mit Wirkung für die Vergangenheit beseitigt wird. Insofern ist bei der Rückabwicklung von Vermögensübertragungen bei Steuern wie der Erbschafts- und Schenkungsteuer, die einerseits auf den Zeitpunkt des Zuflusses eines Vermögensgegenstands abstellen, dann regelmäßig auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Zuflüsse wieder abfließen (vgl. Wilms-Jochum, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, § 29 ErbStG Rdnr. 66). Es bedarf zur Beseitigung der steuerlichen Auswirku...