Leitsatz (amtlich)
1. Ein Sportverein verstößt nicht gegen das Mittelverwendungsgebot des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO, soweit er in Erfüllung eines Anspruchs nachgewiesenen, angemessenen Aufwand eines Mitglieds ersetzt. Dies gilt auch dann, wenn das Mitglied unmittelbar vor der Erfüllung des Anspruchs eine Durchlaufspende in derselben Höhe geleistet hat.
2. Die Gemeinnützigkeit ist nicht wegen bloßer Bedenken hinsichtlich des Spendenabzugs zu versagen.
Normenkette
AO § 55 Abs. 1 Nrn. 1, 3, § 63; KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; EStG § 10b
Nachgehend
Tenor
Das Urteil wurde im Hinblick auf die Wahrung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 Abgabenordnung überarbeitet.
Tatbestand
Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt (FA) der Klägerin (Klin.) die Gemeinnützigkeit für die Zeit ab 1987 aberkennen durfte.
Die Klin. verfolgt den Zweck, das alte Heimatspiel und den Sport Boßeln im … Raum zu fördern. Mit Schreiben vom 25. April 1983 hatte das FA der Klin. mitgeteilt, daß die vorgelegte Satzung alle nach § 59 Abs. 1 und §§ 60 und 61 Abgabenordnung (AO) erforderlichen Voraussetzungen erfülle. Ob die Voraussetzungen tatsächlich erfüllt seien, werde jedoch endgültig erst im Veranlagungsverfahren entschieden. Diese Bestätigung stelle nur eine jederzeit widerrufliche Auskunft dar.
Grundlage dieses Schreibens war die Satzung des Vereins in der Fassung vom 15. April 1983, die u. a. folgenden Wortlaut hat:
„§ 4: Mittel des Vereins
Mittel des Vereins dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins.
§ 5: Keine Begünstigungen
Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck der Körperschaft fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden.
§ 14: Satzungsänderung
Satzungsänderungen bedürfen einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder.”
Für die Streitjahre 1987, 1988 und 1989 gab die Klin. beim FA eine Erklärung zur Überprüfung der Gemeinnützigkeit ab. Dabei unterrichtete sie u. a. das FA darüber, daß Fahrgelder mit Einzelnachweis jeweils unter 8.400 DM bezahlt worden seien. Sie fügte dieser Erklärung Einnahme-/Überschußrechnungen für die Streitjahre bei. Dabei wurden u. a. folgende Beträge ausgewiesen:
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Wirtschaftsjahr |
Wj. |
Wj. |
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1986/87 |
1987/88 |
1988/89 |
Mitgliedsbeiträge |
1.320,– DM |
1.500,– DM |
1.410,– DM |
Spenden |
6.998,70 DM |
1.546,– DM |
6.429,44 DM |
Kostenerstattungen |
6.303,38 DM |
1.211,70 DM |
4.024,44 DM |
Die Kostenerstattungen hatten ihre Ursache in Fahrten, die die Mitglieder A und B für die Klin. in Erfüllung einer Vereinsfunktion, d. h. für den Verein und in Wahrnehmung der satzungsmäßigen Zwecke, unternommen hatten.
Diese Fahrten wurden mit 0,42 DM/km abgerechnet. A ermittelte z. B. einen Betrag von 1.740,48 DM. Dieser Betrag wurde später geändert auf 1.742,16 DM. Anschließend (am 2. Dezember 1986) spendete A der Klin. 1.740,48 DM. Mit Verfügung vom 11. Dezember 1986 erhielt er von der Klin. für Fahrtkosten den Betrag von 1.742,16 DM überwiesen. Die Belege befinden sich in der Sonderakte.
Für die Streitjahre wurden verschiedene Fahrten-Aufstellungen eingereicht und entsprechend abgerechnet. Auf den Inhalt dieser Unterlagen, die Gegenstand der Sonderakte sind, wird Bezug genommen.
Diese Spendenpraxis nahm das FA zum Anlaß, für die Jahre 1987, 1988 und 1989 einen Körperschaftsteuer(KSt)-Bescheid am 2. Mai 1992 zu erteilen und die KSt auf 0 DM festzusetzen. Zur Begründung dieses Bescheides führte das FA aus, daß es die Gemeinnützigkeit des Vereins rückwirkend ab 1. Januar 1987 aberkenne und der Verein ab 1987 der KSt-Pflicht unterliege. Das FA wertete die Spendenpraxis als Gestaltungsmißbrauch i. S. des § 42 AO.
Im Einspruchsverfahren gegen diesen Bescheid trug die Klin. u. a. folgendes vor:
Über das gemeinnützige Wirken des Vereins würde sie gern die namentlich benannten Zeugen zu Worte kommen lassen.
Selbst wenn die geübte Spendenpraxis nicht den steuerlichen Vorschriften entsprochen haben sollte, stelle die Aberkennung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel dar. Der Bescheid habe schlimme Konsequenzen für alle Mitglieder des Vereins und für den Heimatsport überhaupt. Alle Beteiligten seien der Meinung gewesen, daß Handeln sei rechtmäßig gewesen. Die geübte Spendenpraxis sei von Anfang an mit der zuständigen Sachbearbeiterin abgesprochen worden. Auch hätten vorangegangene Prüfungen nicht zu Beanstandungen durch das FA geführt.
Die von ihr geübte Spendenpraxis sei vor allen Dingen rechtmäßig. Durch die Fahrten hätten die Mitglieder tatsächlich eigenes Vermögen aufgewendet und damit dem Verein Ausgaben erspart. Im Sinne der Bundesfinanzhof(BFH)-Rechtsprechung seien nur die Kosten für Benzin bzw. Diesel angesetzt worden. Dabei sei man von einer km-Pauschale von 0,42 DM ausgegangen. Es werde eingeräumt, daß es über die Höhe dieser Kosten pro Fahrt-km unterschiedliche Auffassungen geben möge. Sämtliche abgerechneten Fahrten könnten nachgewiesen werden. Die Zuwendung ...