Entscheidungsstichwort (Thema)
Verrechnung von sog. „finalen“ Verlusten einer in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft mit Gewinnen der im Inland ansässigen Muttergesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Die Verrechnung von sog. „finalen“ Verlusten einer in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft mit Gewinnen der im Inland ansässigen Muttergesellschaft („Organschaft über die Grenze“) setzt eine verbindliche schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Gesellschaften voraus, die jedenfalls eine Verpflichtung zur Verlustübernahme durch die Muttergesellschaft für den Fall der Verlustentstehung der Tochtergesellschaft beinhalten muss.
Normenkette
AEUV Art. 49, 54; KStG §§ 14, 17
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob in Frankreich entstandene Verluste einer französischen Tochtergesellschaft der Klägerin bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin für Zwecke der Körperschaft- und der Gewerbesteuer zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH mit Sitz in B. Sie produziert und vertreibt die dort hergestellten Produkte, daneben im- und exportiert sie damit in Zusammenhang stehende Waren.
Die Klägerin war alleinige Gesellschafterin der D s.a.r.l. mit Sitz in Frankreich. Die Geschäfte der D s.a.r.l. liefen schlecht, sie erzielte seit Jahren durchgehend Verluste. Zum 31. Dezember 2011 verfügte sie über einen steuerlichen Verlustvortrag in Höhe von 491.921 EUR. 2011 hatte sie einen Verlust in Höhe von 139.000 EUR erwirtschaftet, 2012 kam ein weiterer Verlust in Höhe von 195.331 EUR hinzu.
Bereits im Jahr 2011 Jahr wurde daher entschieden, den Geschäftsbetrieb der D s.a.r.l. einzustellen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 30. Oktober 2012 wurde die Auflösung der D s.a.r.l. mit Wirkung zum 31. Oktober 2012 ohne Liquidation durch Übertragung ihres Vermögens als Ganzes auf die Klägerin im Wege einer Transmission Universelle de Partimoine (TUP) gem. Art. 1844-5 des französischen Code Civil beschlossen. Am 25. Januar 2013 wurde die D s.a.r.l. mit Wirkung zum 31. Oktober 2012 aus dem französischen Handelsregister gelöscht.
Bis zur tatsächlichen Einstellung des aktiven Geschäftsbetriebes hatte die Klägerin die D s.a.r.l. mit Waren beliefert. Hinsichtlich der aus den Warenlieferungen resultierenden Forderungen ergriff die Klägerin keine Beitreibungsmaßnahmen gegenüber der D s.a.r.l., obwohl diese keine Zahlungen leistete. Allerdings nahm die Klägerin Wertberichtigungen auf die Forderungen vor. Im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2009 erfolgte eine Wertberichtigung in Höhe des von der D s.a.r.l. bilanzierten nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages. Zum 31. Dezember 2010 schrieb die Klägerin die noch bilanzierten Forderungen mit der Begründung in voller Höhe ab, dass der Geschäftsbetrieb der D s.a.r.l. eingestellt werden solle. Auch in den Jahren 2011 und 2012 lieferte die Klägerin noch Waren an die D s.a.r.l.; die daraus resultierenden Forderungen wurden von der Klägerin zum jeweiligen Jahresende mit derselben Begründung in voller Höhe abgeschrieben. Kumuliert nahm die Klägerin bis zum 31. Dezember 2011 Forderungsabschreibungen in einer Gesamthöhe von 724.241,66 EUR vor, die ihrem Gewinn außerbilanziell jeweils wieder hinzugerechnet wurden.
Im Rahmen ihrer Gewinnermittlung für 2011 brachte die Klägerin den von der D s.a.r.l. im Jahr 2011 erwirtschafteten Verlust in Höhe von 139.000 EUR in Abzug und gab eine entsprechende Körperschaftsteuererklärung ab, auf deren Grundlage sie zunächst erklärungsgemäß veranlagt wurde. Im Verlauf einer später durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer sich allerdings auf den Standpunkt, dass eine Verlustverrechnung nicht erfolgen könne. Es erging unter dem 27. Februar 2014 ein entsprechend geänderter Körperschaftsteuerbescheid für 2011. Den gegen diesen Bescheid am 17. März 2014 erhobenen Einspruch, mit dem die Klägerin nunmehr die Berücksichtigung der bis zum 31. Dezember 2011 insgesamt aufgelaufenen Verluste in Höhe des Verlustvortrages von 491.921 EUR begehrte, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 2015 zurück. Dagegen erhob die Klägerin am 2. November 2015 Klage. Mit Verfügung vom 11. Januar 2017 wies der damalige Berichterstatter die Klägerin darauf hin, dass eine Verlustberücksichtigung - wenn überhaupt - allenfalls im Jahre 2012 in Betracht kommen könne. Daraufhin beantragten die Beteiligten übereinstimmend, das Klageverfahren ruhen zu lassen, was mit Beschluss vom 27. Februar 2017 angeordnet wurde.
Die Körperschafsteuer- und die Gewerbesteuererklärung der Klägerin für 2012 gingen am 10. Februar 2014 beim Beklagten ein. Bei der zugrundeliegenden Gewinnermittlung hatte die Klägerin eine Verrechnung des von der D s.a.r.l. im Jahre 2012 erwirtschafteten Verlustes in Höhe von 195.331 EUR vorgenommen. Diesen berücksichtigte der Beklagte in den unter dem 27. März 2014 ergangenen Bescheiden über die Körperschaftsteuer 2012 und den...