Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine rückwirkende Vorsteuerkürzung beim Übergang von der allgemeinen Besteuerung zur Durchschnittssatzbesteuerung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Veränderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse liegt nach § 15a Abs. 7 UStG auch beim Übergang von der allgemeinen Besteuerung zur Durchschnittssatzbesteuerung gemäߧ 24 UStG vor. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt des Leistungsbezuges Einkünfte aus Gewerbebetrieb (hier: aus Schlachterei) erklärte, obwohl er tatsächlich als Landwirt der Durchschnittssatzbesteuerung gemäß § 24 UStG unterlägen hätte.

Die von vornherein bestehende Absicht des Steuerpflichtigen, mit den Eingangsleistungen landwirtschaftliche Umsätze (hier: aus Bullenmast) zu erzielen, rechtfertigt nicht die rückwirkende Vorsteuerkürzung. Zwar kommt es für den Vorsteueranspruch gemäß § 15 Abs. 1 UStG wegen des Prinzips des Sofortabzugs grundsätzlich auf die im Zeitpunkt des Leistungsbezugs gebildete Verwendungsabsicht an. Für die Fälle des Übergangs von der allgemeinen Besteuerung zur Durchschnittssatzbesteuerung gemäß § 24 UStG beinhaltet § 15a Abs. 7 UStG jedoch eine rechtssystematisch vorrangige Spezialregelung. Darauf, ob die vorgelagerte allgemeine Besteuerung zu Recht erklärt wurde, kommt es nicht an. Entscheidend ist allein der durch den Übergang der Besteuerungsform bewirkte Systembruch, der im Interesse der gleichmäßigen Besteuerung eine nachträgliche Steuerkorrektur erfordert.

Allein der Umstand, dass wegen der Nichtaufgriffsgrenze gemäß § 15a Abs. 11 UStG i.V.m. § 44 Abs. 1 UStDV im Einzelfall eine Steuerberichtigung zu unterbleiben hat (vgl. dazu BFH, Urteil vom 3.11.2011 V R 32/10 Leitsatz Nr. 2, BStBl II 2012, 525), rechtfertigt es nicht, das rechtssystematische Verhältnis der §§ 15, 15a Abs. 7 UStG zu durchbrechen.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1, 4, § 15a Abs. 7, 11, § 24; UStDV § 44 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen, die im Veranlagungszeitraum 2012 für eine "Schlachterei" unter Anwendung der Regelbesteuerung bezogen wurden, nachträglich zu kürzen ist, weil die Eingangsleistungen mit Ausgangsumsätzen in Zusammenhang stehen, die in den nachfolgenden Besteuerungszeiträumen der Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG unterliegen, und zwar in Gestalt einer Bullenmast.

Der Kläger ist Einzelunternehmer und erklärt seit 2013 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft aus dem Betrieb einer Bullenmast. Zuvor hatte er seinen Betrieb als Schlachterei beschrieben und bis einschließlich 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt. Umsatzsteuerlich wurden bis zum 31.12.2012 alle Umsätze der Regelbesteuerung unterworfen. Mit Schreiben vom 31.05.2013 stellte der Kläger über seinen steuerlichen Berater einen Antrag auf Umqualifizierung der gewerblichen Einkünfte als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft rückwirkend zum 1.01.2013. Zum Nachweis legte er einen Bewilligungsbescheid des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume vom 14.12.2012 über die Gewährung einer Betriebsprämie für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe für das Antragsjahr 2012 vor. Aus dieser ist ersichtlich, dass der Kläger im April 2012 eine Betriebsprämie für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe beantragt und dabei eine landwirtschaftlich genutzte Fläche von über 80 ha gemeldet hatte. Der Beklagte (das Finanzamt - FA) stimmte dem Umqualifizierungsantrag zu, sodass ab dem Besteuerungsjahr 2013 die Durchschnittssatzbesteuerung gemäß § 24 UStG und der Vorsteuerausschluss gemäß § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG zur Anwendung kamen. Der am 28.05.2014 eingegangenen Umsatzsteuererklärung des Klägers für das Kalenderjahr 2012 stimmte das FA ebenfalls zu. Die Umsatzsteuer wurde auf ./. … € festgesetzt.

Am 9.02.2017 ordnete das FA gegenüber dem Kläger eine Außenprüfung betreffend u.a. die Umsatzsteuer der Jahre 2012 bis 2014 an. Die Prüferin stellte fest, dass der Kläger in 2012 für Lohnarbeiten, Futtermittel und Vieheinkäufe Vorsteuern zog. Die Tiere wurden als Kälber/Jungvieh eingekauft, verblieben ca. 18 Monate im Betrieb und wurden im Alter von 20 bis 24 Monaten und später als Mastvieh unter Anwendung des § 24 UStG veräußert. Aufgrund dieser Erkenntnisse nahm die Prüferin gemäß § 15 Abs. 4 UStG eine Kürzung der Vorsteuer für die Umsätze bezüglich der Vieheinkäufe zu 7% in Höhe von … €, der Futtermitteleinkäufe zu 7% in Höhe von … € und der Lohnarbeiten zu 19% in Höhe von … €, insgesamt in Höhe von … € vor. Hinzu kamen andere, nicht streitgegenständliche Auswirkungen der Prüfung, die eine weitere Kürzung um … € nach sich zogen. Auf dieser Grundlage erließ das Finanzamt am 20.04.2018 einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten USt-Bescheid für 2012, in dem die Umsatzsteuer von zuvor ./. … € um … € auf ./. … € erhöht wurde.

Hiergegen erhob der Kläger am 23.04.2018 Einspruch. Bei einem Wechsel von der Regel- zur Durchschnittssatzbesteuerung sei die Vorsteuer nicht nachträglich zu kürzen. Eine solche Kürzung lasse sich ...

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