Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten bei der Einkommensteuerfestsetzung
Leitsatz (amtlich)
Kinderbetreuungskosten sind auch dann erwerbsbedingt i.S.d. § 9c Abs. 1 Satz 1 EStG 2009, wenn sie im Hinblick auf eine erst angestrebte Tätigkeit anfallen, sofern ein objektiver tatsächlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang mit der (beabsichtigten) Erwerbstätigkeit festgestellt werden kann. Im Falle einer durch Arbeitslosigkeit verursachten Unterbrechung der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen kann ein solcher Zusammenhang auch gegeben sein, wenn die Unterbrechung länger als vier Monate andauert (entgegen BMF-Schreiben vom 19. Januar 2007 IV C 4 - S-2221 - 2/07, BStBl I 2007, 184).
Normenkette
EStG 2009 § 9c Abs. 1, § 9 Abs. 5 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob von den Klägern im Streitjahr 2009 getragene Kinderbetreuungskosten als erwerbsbedingt im Sinne des § 9c Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG 2009 (EStG) anzusehen sind.
Die Kläger sind Ehegatten und Eltern eines im September 2002 geborenen Sohnes (A). Im Streitjahr wurden sie zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin war vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2009 arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld, ihr vormaliges Arbeitsverhältnis war zum 31. Dezember 2008 aufgelöst worden. Im Laufe des Streitjahres bemühte sie sich mittels zahlreicher Bewerbungen durchgängig um eine erneute Anstellung, auf die vorgelegte Zusammenstellung der Bewerbungsbemühungen nebst Anlagen wird Bezug genommen. Im Oktober 2009 erhielt die Klägerin eine Stellenzusage, seit Anfang 2010 ist sie wieder erwerbstätig.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2009, die am 4. Februar 2011 beim Beklagten einging, machten die Kläger Kinderbetreuungskosten in Höhe von 1.869 € (voller Betrag) geltend, im Laufe des Klageverfahrens wurden die geltend gemachten Kosten auf 1.917 € erhöht. Die Kosten waren dadurch verursacht, dass A in den Monaten Januar bis August 2009 ganztags im Kindergarten und in den Monaten September bis Dezember 2009 in einer Schülerbetreuung (Verlässliche Grundschule) untergebracht war. Auf die seitens der Kläger vorgelegte Aufstellung nebst Zahlungsnachweisen wird Bezug genommen.
Der Besuch des Kindergartens erfolgte auf der Grundlage einer Betreuungsvereinbarung der Kläger mit dem Träger des Kindergartens, die im Streitjahr durch eine "Ordnung für den Kindergarten" näher ausgestaltet war. Danach erfolgte die Aufnahme eines Kindes - in der Reihenfolge einer Warteliste - grundsätzlich für ein "Kindergartenjahr", das am 1. August begann und am 31. Juli des Folgejahres endete. Nach Beginn des Kindergartenjahres konnten Kinder nur aufgenommen werden, wenn freie Plätze vorhanden waren (Ziffer 3.3 und 3.4 der Ordnung). Die Betreuungsvereinbarung verlängerte sich um ein weiteres Kindergartenjahr, wenn nicht bis zum 31. Mai eine Abmeldung des Kindes erfolgte (Ziffer 3.8). Eine vorzeitige Kündigung des Vertrages durch die Erziehungsberechtigten war nur in Ausnahmefällen möglich (Ziffer 3.10). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die "Ordnung für den Kindergarten" vom 20. Mai 2010 Bezug genommen, die - zwischen den Beteiligten unstreitig - in den hier maßgeblichen Punkten inhaltlich mit der im Streitjahr geltenden identisch ist. Der Träger des Kindergartens hätte die Arbeitslosigkeit eines Erziehungsberechtigten nicht als Ausnahmefall i.S.d. Ziffer 3.10 der Ordnung anerkannt, der zur vorzeitigen Kündigung der Betreuungsvereinbarung berechtigt hätte.
Der Unterbringung in der Verlässlichen Grundschule lag eine Vereinbarung mit der Stadt als Schulträgerin zugrunde. Danach war die Betreuung des Kindes an den Besuch der Schule gekoppelt, die Vereinbarung galt für das gesamte Schuljahr 2009/2010 und endete grundsätzlich mit dessen Ablauf. Eine vorzeitige Beendigung der Betreuungsvereinbarung war während des laufenden Schuljahres nur bei Vorliegen wichtiger Gründe möglich. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vereinbarung Bezug genommen. Hauptkriterium für die Aufnahme in die Schülerbetreuung stellte die - ggf. beiderseitige Erwerbstätigkeit - der Elternteile dar, wobei die Stadt als Erwerbstätigkeit auch die Arbeitslosigkeit eines Elternteils ansah, sofern dieser bei der Arbeitsagentur als arbeitssuchend gemeldet war. Regelmäßig war die Nachfrage nach Betreuungsplätzen in der Schülerbetreuung der Grundschule so hoch, dass der Bedarf nicht gedeckt werden konnte. Die Plätze wurden stets zum Beginn eines Schuljahres vollständig vergeben. Eine Platzzusage im bereits laufenden Schuljahr war daher nur möglich, wenn die Betreuung eines anderen Kindes vorzeitig endete.
Der Beklagte erkannte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung zunächst gar keine Kinderbetreuungskosten an. Im Erläuterungsteil des Einkommensteuerbescheides vom 11. März 2011 wurde dies damit begründet, dass nicht beide Elternteile erwerbstätig gewesen seie...