Dipl.-Betriebsw. (FH) Manuela Spreitzer
Rz. 25
Die Finanzbehörde muss Tatsachen, die z. B. den Verdacht einer Bestechung im geschäftlichen Verkehr, einer Vorteilsgewährung oder einer Bestechung inländischer, EU- oder sonstiger ausländischer Amtsträger begründen, der Staatsanwaltschaft oder der für die Verfolgung der Bußgeldvorschrift zuständigen Verwaltungsbehörde mitteilen. Eine Mitteilungspflicht besteht nach Ansicht der Finanzverwaltung jedenfalls dann, wenn der Steuerpflichtige die Vorteilszuwendungen in der steuerlichen Gewinn- oder Einkommensermittlung als Betriebsausgaben abgezogen hat.
Die Firma A leistete in den Jahren 03 – 07 Zahlungen an S, den Einkäufer eines maßgeblichen Kunden, in Höhe von 10 v. H. des Werts der von diesem im Namen des Kunden bei der A bestellten Waren. Die Zahlungen an S setzte die A als Betriebsausgaben ab. Anlässlich einer Betriebsprüfung bei der A im Jahr 09 gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass die Zahlungen der A an S den Korruptionsstraftatbestand der Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB) erfüllen würden. Der Prüfer beabsichtigte, die erlangten Erkenntnisse über diese Schmiergeldzahlungen an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Nach Ansicht der A war die Weiterleitung dieser Informationen an die Staatsanwaltschaft aus folgenden Gründen unzulässig:
- Die Ermittlungen des Prüfers würden allenfalls einen strafrechtlichen Anfangsverdacht, aber keinen hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich einer Bestechung im geschäftlichen Verkehr begründen.
- Ferner seien etwaige Korruptionsdelikte bereits verjährt, was das Finanzamt nicht einmal geprüft habe. Der Weitergabe der Erkenntnisse würde auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entgegenstehen.
- Schließlich würde eine Weitergabe der Erkenntnisse auch strafrechtliche Ermittlungen gegen den S auslösen und damit mittelbar die Geschäftsbeziehungen zu ihrem Kunden belasten.
Nach Ansicht des BFH besteht eine Mitteilungspflicht der Finanzbehörden bereits dann, wenn ein strafrechtlicher Anfangsverdacht i. S. v. § 152 Abs. 2 StPO besteht. Ein hinreichender Tatverdacht, der nach der Strafprozessordnung erst für die Anklageerhebung, § 170 Abs. 1 StPO, und die Eröffnung des Hauptverfahrens gem. § 203 StPO notwendig ist, ist nicht erforderlich. Für die Bejahung eines Anfangsverdachts müssen konkrete Tatsachen bestehen, die es nach kriminalistischer Erfahrung als möglich erscheinen lassen, dass ein verfolgbares Korruptionsdelikt vorliegt. Diese Tatsachen müssen von der Finanzbehörde positiv festgestellt werden. Eine Mitteilung ohne konkreten Anlass oder etwa nur aufgrund bloßer Vermutungen wäre nicht statthaft. Der Finanzbehörde steht bei der Frage, ob ein Verdacht anzunehmen ist, ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Dies bedeutet, nur wenn anlässlich der Prüfung von steuerlichen Sachverhalten konkrete Tatsachen festgestellt werden, die den Verdacht einer Korruptionsstraftat begründen, sind diese Tatsachen den Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen. Die Finanzbehörde, insbesondere die Betriebsprüfung, durch die entsprechende Sachverhalte in der Praxis typischerweise aufgedeckt werden, ist auch nicht verpflichtet, nur zum Aufspüren von Korruptionsstraftaten eigene Ermittlungen anzustellen. Denn die Ermittlung der einschlägigen Tatbestände obliegt der Staatsanwaltschaft und nicht der Finanzbehörde, § 386 AO. Einen Anfangsverdacht auslösende Umstände können beispielsweise sein:
- mangelnde Mitwirkung in der Betriebsprüfung,
- Behandlung des Aufwands in der Steuererklärung als nicht abzugsfähig,
- Empfänger von Zahlungen ist eine "Briefkastenfirma im Ausland",
- ungewöhnlich hohe Provisionszahlungen.
Entscheidend sind insoweit jedoch immer die Umstände des Einzelfalls. Die Betriebsprüfungspraxis zeigt, dass sich das Entdeckungsrisiko für Korruptionsstraftaten durch die Möglichkeiten der digitalen Betriebsprüfung erhöht hat. Aufwandskonten, hinter denen sich Vorteilszuwendungen verbergen können, nämlich Positionen wie Provisions-, Beratungs-, Dienstleistungs-, Marketing- und Sponsoringaufwendungen sowie Kosten für Gutachten und sonstige Werbekosten können mittels der digitalen Betriebsprüfung mit relativ wenig Aufwand ermittelt werden.
Des Weiteren begründet nach Auffassung des BFH weder das Recht auf "informationelle Selbstbestimmung" noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Pflicht des Finanzamts, zu prüfen, ob eine strafrechtliche Verfolgung überhaupt in Betracht kommt oder wegen Strafverfolgungsverjährung oder Verwertungs- bzw. Verwendungsverboten ausgeschlossen ist. Auch gegenüber den Finanzbehörden gilt nach Ansicht des BFH die Herrschaft der Staatsanwaltschaft über das Ermittlungsverfahren. Auch insoweit müsse die Entscheidung der für die Durchführung des Strafverfahrens zuständigen Staatsanwaltschaft vorbehalten bleiben, deren rechtsstaatliches Vorgehen grundsätzlich nicht in Zweifel stehen kann. Außerdem würden den Finanzbehörden in Zweifelsfällen die erforderlichen Kenntnisse zur Prüfung schwieriger strafrechtlicher Verf...