Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Scheinrenditen, die einem Anleger in einem Schneeballsystem gutgeschrieben aber nicht ausgezahlt werden, müssen als Kapitaleinkünfte versteuert werden, solange der Systembetreiber noch leistungsbereit und leistungsfähig ist. Dies entschied jüngst das FG Köln.
Sachverhalt
Ein Ehepaar investierte in den Jahren 2002 bis 2007 mehrere hunderttausend Euro in eine amerikanische Aktiengesellschaft (AG), die ihren Anlegern hohe Renditen versprach. Tatsächlich betrieb die AG ein Schneeballsystem, da mit den neuen Anlagegeldern die Zins- und Rückzahlungsansprüche anderer Anleger befriedigt wurden. In ihren Abrechnungen wies die AG eine Rendite von 15,5 % aus; die Eheleute ließen sich diese Zinsen jedoch nicht auszahlen, sondern legten sie direkt wieder an. Sie erklärten ihre Einnahmen nicht in ihrer Einkommensteuererklärung. Nachdem die Finanzbehörde die Geschäftsbeziehung aufgedeckt hatte, erfasste sie die Scheinzinsen als Einnahmen aus einer stillen Beteiligung (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Die Eheleute erklärten, dass sie lediglich steuerfreie Aktiengeschäfte getätigt hätten.
Entscheidung
Das FG entschied, dass das Finanzamt die Scheinzinsen zu Recht nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Einnahmen aus stiller Beteiligung erfasst hatte. Eine stille Gesellschaftsbeteiligung lag insbesondere deshalb vor, weil die Eheleute in der Beitrittserklärung der Gesellschaft ausdrücklich als stille Gesellschafter bezeichnet worden waren. Diese Benennung hatte hohes Gewicht, da nach der Rechtsprechung des BFH für die steuerliche Qualifizierung entscheidend ist, wie sich das Rechtsgeschäft aus Sicht des Kapitalanlegers (bei objektiver Betrachtung) darstellt.
Die wiederangelegten Zinsen waren den Eheleuten auch zugeflossen, denn für den Zufluss genügt bereits die Gutschrift der Zinsen in den Büchern des Verpflichteten, sofern die Beträge danach zur Verfügung stehen und der Verpflichtete leistungsfähig und leistungsbereit ist. Hiervon war vorliegend auszugehen, da die Gesellschaft bis Anfang 2010 noch entsprechenden Auszahlungswünschen nachgekommen war.
Hinweis
Das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Az. VIII R 13/14 anhängig. Bereits mit Urteil vom 11.2.2014 (Az. VIII R 25/12) hatte der BFH entschieden, dass Scheinerträge solange zu steuerbaren Kapitaleinkünften führen, wie der Betreiber des Schneeballsystems noch leistungsbereit und leistungsfähig ist. Steuerlich ist es also für den Anleger sehr nachteilig, wenn er seine Scheinzinsen wiederanlegt, während der Betreiber sein System noch durch Auszahlungen aufrechterhält.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 19.03.2014, 14 K 2824/13