Leitsatz
1. Im Fall einer Betriebsaufgabe sind Schuldzinsen für betrieblich begründete Verbindlichkeiten nur insoweit nachträgliche Betriebsausgaben, als die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten nicht durch eine mögliche Verwertung von Aktivvermögen beglichen werden können; nicht tilgbare frühere Betriebsschulden bleiben solange noch betrieblich veranlasst, bis ein etwaiges Verwertungshindernis entfallen ist. Eine Ausnahme vom Grundsatz des Vorrangs der Schuldenberichtigung rechtfertigen jedoch nur solche Verwertungshindernisse, die ihren Grund in der ursprünglich betrieblichen Sphäre haben (Fortentwicklung des BFH-Urteils vom 19.8.1998, X R 96/95, BStBl II 1999, 353).
2. Werden im Fall einer Betriebsaufgabe aktive Wirtschaftsgüter aus privaten Gründen zusammen mit der ursprünglich betrieblich begründeten Verbindlichkeit ins Privatvermögen übernommen, sind die Schulden – gleichgültig, ob sie zur Finanzierung allgemein betrieblicher Zwecke oder bestimmter, nun nicht mehr im Betriebsvermögen vorhandener Wirtschaftsgüter aufgenommen wurden – bis zur Höhe des Werts der ins Privatvermögen übernommenen Wirtschaftsgüter diesen zuzuordnen.
3. Werden die ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter im Rahmen einer anderen Einkunftsart genutzt, stehen die durch die ursprünglich betrieblichen Verbindlichkeiten verursachten Schuldzinsen nun in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dieser neuen Einkunftsart und können bei dieser ggf. als Betriebsausgaben/Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden.
Normenkette
§ 4 Abs. 4, § 24 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger gab seine gewerbliche Tätigkeit als selbstständiger Handelsvertreter am 31.3.1993 auf. Seitdem ist er als nichtselbstständiger Handelsvertreter tätig. Im Zug der Betriebsaufgabe überführte er sein aktives Betriebsvermögen (darunter u.a. der bisher betrieblich genutzte Anteil an seinem im Übrigen privat genutzten Einfamilienhaus-Grundstück, ferner 2 Kfz mit Anhänger) in das Privatvermögen. Der betrieblich genutzte Anteil am Wohngrundstück bestand in zwei in die Wohnung integrierten Büroräumen und einer an das Haus angebauten Garage. Nach der Betriebsaufgabe nutzte er die beiden Büroräume im Rahmen seiner nichtselbstständigen Handelsvertretertätigkeit.
Das für betriebliche Zwecke aufgenommene Darlehen i.H.v. rd. 130.000 DM löste der Kläger im Rahmen der Betriebsaufgabe nicht ab.
Das FA versagte den vom Kläger als nachträgliche Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten geltend gemachten Abzug der in den Streitjahren 1997 bis 1999 angefallenen Schuldzinsen für das Darlehen. Das FG gab der Klage statt (EFG 2004, 27). Die Revision des FA hatte Erfolg; sie führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Entscheidung
Der BFH hob hervor, dass der Steuerpflichtige im Fall der Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung grundsätzlich gehalten sei, die erzielten Erlöse aus der Verwertung des aktiven Betriebsvermögens zur Tilgung der Betriebsschulden einzusetzen. Eine Ausnahme hiervon komme u.a. in Betracht, wenn der Verwertung des Aktivvermögens Hindernisse entgegenstünden, die ihre Ursache in der (ehemals) betrieblichen Sphäre hätten. Ein solches Verwertungshindernis scheide im vorliegenden Fall aus, weil der Kläger zwar die beiden Büroräume und die Garage nicht separat, wohl aber zusammen mit dem Gesamtgrundstück hätte veräußern können. Da er darauf aus privaten Gründen verzichtet habe, scheide ein rechtlich erhebliches Verwertungshindernis aus.
Jedoch stellten die auf die beiden nunmehr im Rahmen der nichtselbstständigen Arbeit des Klägers genutzten Büroräume anteilig entfallenden Schuldzinsen für das "stehen gelassene" Darlehen dem Grund nach Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit dar.
Das FG müsse nunmehr prüfen, ob und in welcher Höhe unter Beachtung der für häusliche Arbeitszimmer nach § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG geltenden Beschränkungen die auf diesen Bereich entfallenden Werbungskosten abziehbar seien.
Hinweis
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH stellen nachträglich anfallende Schuldzinsen für betrieblich begründete und bei Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe zurückbehaltene Verbindlichkeiten grundsätzlich nur insoweit nachträgliche Betriebsausgaben dar, als sie nicht auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Veräußerungspreis und die Verwertung von zurückbehaltenen aktiven Wirtschaftsgütern hätten beglichen werden können (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 22.1.2003, X R 60/99, BFH/NV 2003, 900, m.w.N.). Ausnahmen von dieser Ablöseobliegenheit hat die Rechtsprechung allerdings insbesondere dann anerkannt, wenn Hindernisse hinsichtlich der Zahlung des Veräußerungserlöses bestehen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 27.11.1984, VIII R 2/81, BStBl II 1985, 323), ferner wenn Verwertungshindernisse bezüglich des zurückbehaltenen Aktivvermögens bestehen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 21.11.1989, IX R 10/84, BStBl II 1990, 213) oder wenn Rückzahlungshindernisse bezüglich der früheren Betriebsschulden existieren (vgl. z...