FinMin Hamburg, Erlaß v. 29.10.2015, S 2211 - 2015/001 - 52
Aktuelle BFH-Rechtsprechung
In mehreren aktuellen Entscheidungen hat der BFH zur Abziehbarkeit von nachträglichen Schuldzinsen bei den Vermietungseinkünften Stellung genommen. Mit BMF-Schreiben vom 27.7.2015 (BStBl 2015 I S. 581) hat die Verwaltung sich zur Anwendung der neuen Rechtsprechungsgrundsätze geäußert. Die BMF-Schreiben vom 28.3.2013 (BStBl 2013 I S. 508) und vom 15.1.2014 (BStBl 2014 I S. 108) sind mit der Neuregelung durch das BMF-Schreiben vom 27.7.2015 außer Kraft getreten.
– BFH vom 20.6.2012, IX R 67/10 (BStBl 2013 II S. 275)
Auch im Falle steuerbarer Grundstücksveräußerungen i.S. des § 23 EStG sind Schuldzinsen für Anschaffungskosten eines Mietobjekts als nachträgliche Werbungskosten abziehbar. Hierbei ist jedoch auch der Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung zu beachten, wonach der Abzug nur möglich ist, wenn und soweit der Veräußerungserlös nicht zur Darlehenstilgung ausreicht.
– BFH vom 8.4.2014, IX R 45/13 (BStBl 2015 II S. 635)
Ein nachträglicher Schuldzinsenabzug bei den Vermietungseinkünften ist auch dann möglich, wenn der Verkauf des Mietobjekts kein privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 EStG darstellt. Mit BMF-Schreiben vom 27.7.2015, a.a.O. hat sich die bisherige Verwaltungsauffassung geändert. Nunmehr kommt es für einen nachträglichen Werbungskostenabzug nicht mehr darauf an, ob der Grundstücksverkauf ein privates Veräußerungsgeschäft ist oder nicht.
Für die steuerliche Behandlung der Schuldzinsen ist vielmehr die Verwendung des Veräußerungserlöses maßgeblich:
- Wird der Erlös zur Schuldentilgung verwendet, sind nur die Schuldzinsen für einen etwaigen nicht tilgbaren Darlehensteil weiterhin abzugsfähig (Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung).
- Bei Anschaffung einer neuen Einkunftsquelle steht das Darlehen in einem neuen Veranlassungszusammenhang mit der Folge des Schuldzinsenabzugs bei der neuen Einkunftsquelle (Surrogationsbetrachtung).
– BFH vom 21.1.2014, IX R 37/12 (BStBl 2015 II S. 631)
Ein nachträglicher Schuldzinsenabzug ist ausgeschlossen, wenn die Einkünfteerzielungsabsicht bereits vor der Veräußerung des Mietobjekts entfallen ist (z.B. Selbstnutzung vor dem Verkauf).
– BFH vom 11.2.2014, IX R 42/13 (BStBl 2015 II S. 633)
Eine Vorfälligkeitsentschädigung, die zur Ablösung einer Darlehensverbindlichkeit zwecks lastenfreier Veräußerung der Immobilie gezahlt wird, stellt keine ersatzweisen Werbungskosten dar, wenn ein steuerbarer Veräußerungsvorgang i.S. des § 23 EStG nicht vorliegt.
Dagegen liegen im Falle einer nach § 23 EStG steuerbaren Veräußerung Veräußerungskosten vor.
Steuerliche Behandlung der Schuldzinsen
Die Behandlung der Schuldzinsen richtet sich nach dem Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung:
Schuldzinsen bei Veräußerungsgeschäft nach dem 31.12.1998
Ein Schuldzinsenabzug ist vorzunehmen, wenn und soweit die Verbindlichkeiten nicht durch den Veräußerungserlös getilgt werden können (Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung). Es kommt nicht mehr darauf an, ob die Veräußerung ein steuerbarer Veräußerungsvorgang i.S. des § 23 EStG ist. Voraussetzung ist, dass die Einkünfteerzielungsabsicht bis zur Veräußerung bestanden hat.
Schuldzinsen bei Veräußerungsgeschäft vor dem 1.1.1999
Ein Schuldzinsenabzug nach Veräußerung des Mietobjekts ist nicht möglich.
Vorfälligkeitsentschädigungen mit Veräußerungsgeschäft ab dem 27.7.2015
Vorfälligkeitsentschädigungen stehen in einem neuen Veranlassungszusammenhang mit der Veräußerung und dürfen nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden. Lediglich im Falle eines steuerbaren Veräußerungsvorgangs i.S. des § 23 EStG sind die Schuldzinsen als Veräußerungskosten abziehbar.
Vorfälligkeitsentschädigungen mit Veräußerungsgeschäft bis zum 26.7.2015
Der ausnahmsweise zugelassene Abzug einer Vorfälligkeitsentschädigung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (Vorfälligkeitsentschädigung als Finanzierungskosten eines neu erworbenen Mietobjektes) ist noch bei Veräußerungen vor dem 27.7.2015 anwendbar.
Normenkette
EStG § 21
EStG § 23