Leitsatz
Schuldzinsen für Darlehen, mit denen Arbeitnehmer den Erwerb von Gesellschaftsanteilen an ihrer Arbeitgeberin finanzieren, um damit die arbeitsvertragliche Voraussetzung für die Erlangung einer höher dotierten Position zu erfüllen, sind regelmäßig Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (Anschluss an BFH-Urteil vom 21.4.1961, VI 158/59 U, BStBl III 1961, 431).
Normenkette
§ 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin erzielte als Wirtschaftsprüferin bei einer Wirtschaftsprüfungs-AG Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sowie aus ihrer Aktienbeteiligung an der AG Einkünfte aus Kapitalvermögen. In den Steuererklärungen machte sie Aufwendungen für Schuldzinsen bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit für ein Arbeitgeberdarlehen zur Finanzierung des Erwerbs der Aktien geltend.
Das FA behandelte die Zinsaufwendungen dagegen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen mit der Folge, dass die Werbungskostenüberschüsse der Klägerin aus der streitigen Beteiligung wegen weiterer nicht den Freibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG übersteigender Einnahmeüberschüsse aus anderen Kapitaleinnahmen ohne Auswirkung blieben. Der daraufhin erhobenen Klage gab das FG statt. Dagegen richtet sich die Revision des FA.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH hat das FG die streitigen Zinsaufwendungen zu Unrecht als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt. Sie seien vielmehr Werbungskosten aus Kapitalvermögen, die sich aufgrund des Freibetrags nach § 20 Abs. 4 EStG im Streitfall nicht Steuer mindernd auswirkten.
Zwar bestehe auch ein Zusammenhang mit den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Denn die Klägerin sei nach dem Anstellungsvertrag u.a. verpflichtet gewesen, sich an ihrer Arbeitgeberin zu beteiligen; im Übrigen habe sie durch den Partnerstatus höhere Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielen können. Gleichwohl werde diese Beziehung durch den Zusammenhang der Schuldzinsen mit dem Erwerb der Beteiligung überlagert, weil die Einkunftsart "Kapitalvermögen" im Vordergrund stehe. Zwischen Arbeitsverhältnis und Zinszahlung trete nämlich der Aktienbesitz als eigenständige Erwerbsquelle, deren Anschaffungskosten mit dem streitigen Darlehen finanziert worden sei.
Hinweis
Werbungskosten sind alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind (vgl. BFH, Beschluss vom 28.11.1977, GrS 2-3/77, BStBl II 1978, 105). Betreffen die Aufwendungen eines Arbeitnehmers den Erwerb einer Beteiligung an seiner Arbeitgeberin – wie im Streitfall an der AG –, so sind sie nach der BFH-Rechtsprechung mangels ausdrücklicher Regelung "nicht ohne Weiteres" den Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zuzurechnen. Denn sie stehen "im Allgemeinen" nicht unmittelbar mit diesen Einkünften, sondern mit solchen aus Kapitalvermögen im Zusammenhang, selbst wenn damit auch die Arbeitnehmertätigkeit gefördert wird (BFH, Urteil vom 21.4.1961, VI 158/59 U, BStBl III 1961, 431).
Das gilt gleichermaßen, wenn sich der Steuerpflichtige an der Kapitalgesellschaft nicht nur in Erwartung der Ausschüttung von Gewinnen beteiligt, sondern auch, um durch die Zuführung von Kapital den Fortbestand der Gesellschaft und damit gleichzeitig seinen eigenen Arbeitsplatz zu erhalten. Denn der wirtschaftliche Zusammenhang der Aufwendungen mit den Einkünften aus Kapitalvermögen steht in solchen Fällen regelmäßig im Vordergrund und verdrängt die Beziehung zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Dieser vorrangige Zusammenhang mit den Einkünften aus Kapitalvermögen gilt grundsätzlich auch dann, wenn sich der Steuerpflichtige an seiner Arbeitgeberin beteiligt, um dadurch eine höher dotierte Position zu erlangen.
Nur ausnahmsweise kann danach die Annahme in Betracht kommen, der Arbeitnehmer habe mit dem Erwerb einer Beteiligung nahezu ausschließlich die Sicherung seines bestehenden oder die Erlangung eines höherwertigen Arbeitsplatzes erstrebt. Das kann insbesondere bei negativer Überschussprognose und damit erkennbar fehlender Absicht zur Erzielung von Einkünften aus der Beteiligung der Fall sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 5.4.2006, IX R 111/00