Jean Bramburger-Schwirkslies
Je höher die Steuerbelastung, desto größer ist der Anreiz, nicht alle Betriebseinnahmen zu versteuern. Wer hier z. B. Ware einkauft und als Wareneingang bucht, aber den Verkauf nicht als Einnahme erfasst, handelt unklug. Das Finanzamt kalkuliert den Umsatz nach und stellt schnell fest, dass das Betriebsergebnis nicht stimmen kann. Für eine Vielzahl von Betrieben stellt die Finanzverwaltung "Richtsätze" zusammen, die jährlich aktualisiert werden. Wenn Ihre Aufschlag- und Gewinnsätze deutlich unter den Richtsätzen liegen, stehen Sie ganz oben auf der Liste derjenigen, die mit einer Betriebsprüfung zu rechnen haben.
3.1 Neue Richtsatzsammlung für 2022
Die nächste Betriebsprüfung kommt bestimmt. Handels- und Handwerksbetriebe tun gut daran, im Vorfeld die Richtsätze der Finanzverwaltung zu kennen. Die Richtsätze sind ein Hilfsmittel für die Finanzverwaltung, Umsätze und Gewinne der Gewerbetreibenden zu verproben und ggf. bei Fehlen anderer geeigneter Unterlagen zu schätzen. Die Richtsätze sind für die einzelnen Gewerbeklassen auf der Grundlage von Betriebsergebnissen zahlreicher geprüfter Unternehmen ermittelt worden. Sie bieten dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, die privaten Warenentnahmen (z. B. Getränke und Verpflegung des Unternehmers in der Gastronomie) monatlich pauschal zu verbuchen und entbinden ihn damit von der Aufzeichnung einer Vielzahl von Einzelentnahmen. Die amtlichen Richtsätze werden jährlich neu ermittelt. Das BMF hat die Richtsatzsammlung für das Kalenderjahr 2022 mit Schreiben vom 10.8.2023 veröffentlicht.
3.1.1 Richtsätze werden basierend auf Rohgewinn, Halbreingewinn und Reingewinn ermittelt
Richtsätze werden in v. H.-Sätzen des wirtschaftlichen Umsatzes für den Rohgewinn (Rohgewinn I bei Handelsbetrieben, Rohgewinn II bei Handwerks- und gemischten Betrieben (Handwerk mit Handel)), für den Halbreingewinn und den Reingewinn ermittelt (Spalten 4 bis 7 der tabellarischen Übersicht der Richtsätze für die einzelnen Gewerbeklassen). Bei Handelsbetrieben wird daneben der Rohgewinnaufschlagsatz angegeben. Für Handwerks- und gemischte Betriebe ist nachrichtlich auch ein durchschnittlicher Rohgewinn I in Spalte 4 der Richtsatzsammlung verzeichnet, der als Anhalt für den Waren- und Materialeinsatz dienen soll.
3.1.2 Welche Betriebe als Handelsbetriebe gelten
Als Handelsbetriebe i. S. d. Richtsätze gelten auch die Betriebe nachstehender Gewerbeklassen: Bäcker, Konditor – Bestattungsunternehmen – Cafés, Eisdielen, Gaststätten, Imbissbetriebe – Hotels, Gasthöfe und Pensionen mit Halb- u. Vollpension (ohne Hotels garnis) – Fleischer, Metzger, Schlachter – Kosmetiksalons. Die Richtsätze bestehen aus einem oberen und einem unteren Rahmensatz sowie einem Mittelsatz. Die Rahmensätze tragen den unterschiedlichen Verhältnissen Rechnung. Der Mittelsatz ist das gewogene Mittel aus den Einzelergebnissen der geprüften Betriebe einer Gewerbeklasse.
3.1.3 Welche Betriebe als Fertigungsbetriebe gelten
Als Fertigungsbetriebe i. S. d. Richtsätze gelten auch die Betriebe nachstehender Gewerbeklassen: Frisörgewerbe – Glas- und Gebäudereinigungsbetriebe – Gerüstbauer – Kfz-Lackiererei und –Reparatur.
Besonderheit im Dienstleistungsbereich
Im Dienstleistungsbereich ist eine Verprobung der Einnahmen über den Wareneinsatz nicht möglich. Einnahmen nicht zu erfassen, ist hier aber ebenso gefährlich.
3.2 Risiko vermeiden durch nachträgliche Buchung
Wenn Sie dieses Risiko der Entdeckung vermeiden wollen, müssen Sie bisher nicht erfasste Einnahmen nachbuchen. Bis zur Erstellung des Jahresabschlusses können Sie das ohne Probleme nachholen. Sie buchen die bisher nicht versteuerten Einnahmen als Erlöse und private Entnahme. Anschließend senden Sie eine berichtigte Umsatzsteuer-Voranmeldung an das Finanzamt.
Gründe für Abweichungen benennen
Nehmen Sie keine unterjährigen Nachbuchungen und Korrekturen vor und/oder geben Sie keine berichtigten Umsatzsteuer-Voranmeldungen gegenüber dem Finanzamt ab, müssen Sie bei größeren Abweichungen der Umsatzsteuer-Jahreserklärung gegenüber den Umsatzsteuer-Voranmeldungen mit Rückfragendes Finanzamts für die Gründe dieser Abweichungen rechnen. Sie sollten sich eine plausible Erklärung einfallen lassen, denn aus dem Vergleich zwischen Voranmeldungen und Jahreserklärung kann das Finanzamt erkennen, dass in der Jahreserklärung ein höherer Umsatz ausgewiesen ist.
Auch sollten Sie künftig alle Einnahmen sofort buchhalterisch korrekt erfassen und der Besteuerung unterwerfen. Denn oft wiederkehrende Berichtigungen der Umsatzsteuer-Voranmeldungen, ebenso wie immer wiederkehrende hohe Abweichungen zwischen Umsatzsteuervoranmeldung und Jahressteuererklärung können Sie ins Licht der Betriebsprüfung rücken.