Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 427
Das Unternehmen oder der gesondert geführte Betrieb muss (entgeltlich oder unentgeltlich) "übereignet" werden. Der Begriff der "Übereignung" ist im Umsatzsteuerrecht nicht definiert und kann auch nicht zivilrechtlich interpretiert werden. Unionsrechtlich wird in Art. 19 MwStSystRL von einer Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens ausgegangen. Da nach den Regelungen des BGB nur Sachen "übereignet" werden können, bei einer Geschäftsveräußerung aber Rechte und immaterielle Wirtschaftsgüter mit übergehen, die nicht "übereignet" werden können, ist der Begriff der Übereignung umsatzsteuerrechtlich auszulegen. Die Übereignung eines Unternehmens kann damit nur so ausgelegt werden, dass hier Umsätze i. S. d. Umsatzsteuerrechts ausgeführt werden. Die Geschäftsveräußerung liegt demnach nur vor, wenn der Veräußerer dem Erwerber an den veräußerbaren Gegenständen das wirtschaftliche Eigentum verschafft und die nicht lieferbaren Vermögenspositionen (Forderungen, Rechte, immaterielle Wirtschaftsgüter) auf den Erwerber überträgt.
Rz. 428
Die Geschäftsveräußerung setzt dabei nicht nur die Übereignung von einzelnen Sachen voraus, sondern die uneingeschränkte Übertragung aller wesentlichen, für die Fortführung des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs notwendigen Vermögensgegenstände und Rechte. Für die Fortführung unwesentliche Teile müssen auf den Erwerber nicht übergehen; soweit wesentliche Teile vom übertragenden Unternehmer zurückbehalten werden, ist es ausreichend, wenn diese wesentlichen Betriebsgrundlagen dem Erwerber mietweise überlassen werden (Rz. 418ff.).
Rz. 429
Der Erwerber muss dabei nicht zwingend das zivilrechtliche Eigentum an den Gegenständen des Unternehmens erlangen, ausreichend für die Übertragung ist, wenn ihm Wert, Substanz und Ertrag an den Gegenständen verschafft wird, also das wirtschaftliche Eigentum an den Gegenständen auf ihn übergeht. Eine Übereignung ist auch dann anzunehmen, wenn der Erwerber beim Übergang des Unternehmens Einrichtungsgegenstände, die ihm bereits vorher zur Sicherung übereignet worden sind, und Waren, die er früher unter Eigentumsvorbehalt geliefert hat, übernimmt. Die Übertragung lediglich von Sicherungseigentum oder die Übertragung auf einen Treuhänder reicht für eine Geschäftsveräußerung nicht aus, wenn der Übertragende die Gegenstände zur Fortführung seines eigenen Betriebs weiter behält. Eine Geschäftsveräußerung liegt ebenfalls nicht vor, wenn ein Sicherungsnehmer den ihm übereigneten Gegenstand erwirbt, um ihn zu verwerten. Da ein Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht bei der Übertragung eines Gegenstands unter Nießbrauchsvorbehalt nicht vorliegt, kann in diesen Fällen ebenfalls keine Geschäftsveräußerung vorliegen, der das zivilrechtliche Eigentum Übertragende bleibt weiterhin der Unternehmer, der das Unternehmen fortführt.
Rz. 430
Eine Übertragung eines Unternehmens liegt nicht vor, wenn ein Unternehmen lediglich verpachtet wird. Der Verpächter überträgt insoweit dem Pächter nicht "Wert, Substanz und Ertrag" an dem Unternehmen, der Erwerber hat keine eigentumsähnliche Stellung inne. Allerdings kann eine Geschäftsveräußerung vorliegen, wenn ein Pachtbetrieb übertragen wird und der bisherige Pächter einem neuen Pächter alle wesentlichen Grundlagen des gepachteten Betriebs überträgt, dabei gehört das Pachtrecht zu den wesentlichen Grundlagen. Dieses Pachtrecht muss der Veräußerer auf den Erwerber übertragen, indem er ihm die Möglichkeit verschafft, mit dem Verpächter einen Pachtvertrag abzuschließen, sodass der Erwerber die dem bisherigen Betrieb dienenden Räume usw. unverändert nutzen kann; keine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt aber dann vor, wenn auf der übertragenden Seite und/oder der empfangenden Seite mehrere rechtlich selbstständige Personen mitwirken müssen, um das fortführbare Unternehmen zu übertragen.
Das, was vom Veräußerer übertragen wird, muss für sich genommen ein fortführbares Teilvermögen darstellen; vgl. dazu auch Rz. 434a.
Rz. 431
Die Übertragung des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs muss nicht in einem Schritt erfolgen. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung kann auf mehreren zeitlich versetzten Kausalgeschäften beruhen, wenn diese in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und die Übertragung des ganzen Vermögens auf einen Erwerber zur Beendigung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit – insbesondere auch für den Erwerber – offensichtlich ist. Die Übertragung eines Unternehmens oder eines in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betriebs an verschiedene Erwerber kann nicht unter § 1 Abs. 1a UStG fallen, da § 1 Abs. 1a UStG ausdrücklich die Übertragung an "einen" Unternehmer vorschreibt. Auch Art. 19 MwStSystRL verwendet den Begriff der "Übertragung" in der Einzahl. Wird allerdings ein gesondert geführtes Unternehmen an verschiedene zwar zivilrechtlich eigenständige Personen oder Gesellschaften übertragen, die aber umsatzsteuerrecht...