Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
8.3.1 Anwendungsbereich
Rz. 547
Werden Umsätze in den in § 1 Abs. 3 UStG aufgeführten Gebieten ausgeführt, sind diese Umsätze systematisch im Ausland (Drittlandsgebiet) ausgeführt. Die Rechtsfolge wäre die Nichtsteuerbarkeit dieser Umsätze. Bei der Festlegung, ob der Ort der Lieferung, der sonstigen Leistung oder des innergemeinschaftlichen Erwerbs in diesen Gebieten ausgeführt ist, sind die regulären Rechtsvorschriften der §§ 3ff. UStG anzuwenden. Um einen unbesteuerten Letztverbrauch zu verhindern, werden diese Umsätze unter den in § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 7 UStG aufgeführten Voraussetzungen aber wie Umsätze im Inland behandelt. Soweit die weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 UStG vorliegen, führt dieser Umsatz dann zur Steuerbarkeit – eine Verlegung des Orts der Leistung oder des innergemeinschaftlichen Erwerbs ist damit nicht verbunden. Nach Feststellung der Steuerbarkeit unterliegt der Umsatz den weiteren allgemeinen Rechtsvorschriften des UStG. Soweit die weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 UStG nicht vorliegen (z. B. fehlende Unternehmereigenschaft, kein Leistungsaustausch), bleibt ein in den Gebieten nach § 1 Abs. 3 UStG ausgeführter Umsatz nicht steuerbar.
Rz. 548
Unter die Anwendung des § 1 Abs. 3 UStG fallen nur die dort aufgeführten Umsätze. Umsätze gegenüber einem Unternehmer, der bezogen auf diese Leistung zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, führen damit nicht zu einer Steuerbarkeit der Leistung, die ausgeführte Leistung bleibt nicht steuerbar.
Leistung an vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer
Rechtsanwalt R erbringt eine Rechtsberatungsleistung an einen im Freihafen Bremerhaven ansässigen Unternehmer. Der Leistungsempfänger bezieht die Leistung für sein Unternehmen und führt selbst zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungen aus.
Die Leistung des R ist nach § 3a Abs. 2 S. 1 UStG dort ausgeführt, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt. Die Leistung ist damit im Freihafen Bremerhaven ausgeführt. Der Freihafen Bremerhaven (Freizone i. S. d. Art. 243 UZK) gehört nicht zum Inland (§ 1 Abs. 2 S. 1 UStG). Obwohl die Leistung in einem in § 1 Abs. 3 UStG aufgeführten Gebiet ausgeführt wurde, ist die Leistung nicht wie ein Umsatz im Inland zu behandeln, da keine der in § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 7 UStG aufgeführten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Leistung bleibt nicht steuerbar.
8.3.2 Lieferungen und innergemeinschaftlicher Erwerb (§ 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 UStG)
Rz. 549
Eine in den Gebieten des § 1 Abs. 3 UStG ausgeführte Lieferung oder (seit dem 19.12.2006) ein dort bewirkter innergemeinschaftlicher Erwerb wird wie ein im Inland ausgeführter Umsatz behandelt, wenn es sich um Gegenstände handelt, die
- zum Gebrauch oder Verbrauch in diesen Gebieten bestimmt sind oder
- zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind.
Rz. 550
Voraussetzung für die Behandlung als Umsatz im Inland ist aber, dass es sich bei dem Leistungsempfänger nicht um einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer handelt. Gesetzlich ist dies (seit dem 19.12.2006) umgesetzt worden, sodass die Regelung zur Anwendung kommt, wenn
- die Gegenstände nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden oder
- vom Abnehmer ausschließlich oder z. T. für eine nach § 4 Nr. 8 bis Nr. 27 und Nr. 29 UStG steuerfreie Tätigkeit verwendet werden.
Rz. 551
Die Lieferung der Gegenstände muss zum Gebrauch oder Verbrauch in den genannten Gebieten bestimmt sein. Zum Gebrauch oder Verbrauch bestimmt ist ein Gegenstand dann, wenn unter normalen Voraussetzungen damit gerechnet werden kann, dass er in diesen Gebieten genutzt oder aufgebraucht wird (z. B. Verzehr von Lebensmitteln). Ob der Gegenstand dann tatsächlich dort ge- oder verbraucht wird, ist für die Erfassung als steuerbarer Umsatz unbeachtlich. So bleibt ein Gegenstand, der typischerweise nicht zum Gebrauch oder Verbrauch in diesen Gebieten verkauft wird, nicht steuerbar, selbst wenn er entgegen der üblichen Erwartung doch dort verbraucht wird. Umgekehrt bleibt eine Lieferung eines Gegenstands in diesen Gebieten steuerbar nach § 1 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 UStG, wenn er typischerweise zum Gebrauch oder Verbrauch bestimmt ist, aber dann doch in das (übrige) Drittlandsgebiet mitgenommen wird. So fallen z. B. Verkäufe von Tabakwaren aus Automaten in den Freihäfen (Freizonen i. S. d. Art. 243 UZK) unter § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 UStG. Aber auch die Abgabe von Speisen ohne weitere Verzehreinrichtungen (z. B. an einem Imbissstand mit Stehtischen) in den Freihäfen gilt als Lieferung i. S. d. § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 UStG.
Rz. 552
Werden Waren auf Fahrten innerhalb des Küstenmeers (zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie) ausgeführt (früher sog. "Butterfahrten"), fallen diese Umsätze nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 UStG, da die Waren nicht zum Verbrauch in den genannten Gebieten bestimmt sind. Bis zum 31.12.1993 waren diese Umsätze nicht steuerbar, da der Ort der Lieferung nicht im Inland lag und der Umsatz auch nicht wie ein Umsatz im Inland behandelt wurde. Mit Einführung d...