Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 27
Eine Mehrzahl von Leistungen, die trotz des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Leistung jeweils selbstständig sind oder kraft Gesetzes als Einheit zu betrachten sind und auch nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung stehen, wird bisweilen durch ein zusammengefasstes Entgelt angeboten. Diese Zusammenfassung des Entgelts kann – trotz § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 2 UStG – wegen der Selbstständigkeit der einzelnen Leistungen ebenso wenig zur Annahme einer einheitlichen Gesamtleistung führen wie bei der Erbringung mehrerer selbstständiger Leistungen aufgrund einer einzigen Leistungsgrundlage. Dies ist auch der Fall, wenn für die selbstständige Geschäftsführungsleistung durch einen Gesellschafter von der Gesellschaft ein Sonderentgelt gezahlt wird, das sowohl die Geschäftsführung als auch die Tragung des Haftungsrisikos abdecken soll.
Wie die jetzt nicht mehr steuerbare Geschäftsveräußerung als ein Bündel von Lieferungen/sonstigen Leistungen zu verstehen gewesen ist, ist bei einer fast vollständigen Veräußerung eines Unternehmens oder Teilbetriebs, ohne Geschäftsveräußerung zu sein (z. B. wegen des Zurückhaltens einer oder mehrerer wesentlicher Geschäftsgrundlagen oder Veräußerung an einen Erwerber der nicht Unternehmer ist oder das erworbene Unternehmen nicht fortführen will), und Zahlung eines nicht aufgeschlüsselten Gesamtbetrags eine Zusammenfassung von mehreren Entgelten anzunehmen. Bei der Verpachtung eines Grundstücks unter Überlassung von Betriebsvorrichtungen war der BFH früher von einem sog. Aufteilungsgebot ausgegangen, das in der Folge zu unterschiedlich besteuerten Leistungsteilen führte, für die dann auch getrennte Bemessungsgrundlagen zu ermitteln waren. Obwohl schon länger unionsrechtlich fraglich war, ob an solchen Aufteilungsgeboten festgehalten werden kann, wurde diese Sichtweise erst durch ein Urteil des EuGH in 2023 verworfen. Der EuGH hat eindeutig entschieden, dass eine Aufspaltung eines einheitlichen Umsatzes nicht zulässig ist. Liegen Haupt- und Nebenleistung vor, muss die Leistung einer einheitlichen umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung unterworfen werden. Was jeweils als Hauptleistung und was als Nebenleistung anzusehen ist, bestimmt sich jeweils in Abhängigkeit des einzelnen Sachverhalts.
Liegen aber mehrere Leistungen vor, die nicht als Haupt- und Nebenleistung verbunden sind, für die aber ein einheitliches Entgelt entrichtet wird, hat die Aufteilung dabei gem. der Auffassung des BFH nach der einfachstmöglichen Aufteilungsmethode zu geschehen. Betrifft der Gesamtkaufpreis eine zusammengesetzte Lieferung für mehrere Gegenstände und würde der Lieferer die Gegenstände auch einzeln liefern, soll der Gesamtkaufpreis nach Maßgabe der Einzelkaufpreise aufgeteilt werden, da dies nach Auffassung des BFH die "einfachstmögliche Methode" darstellt. Das ist sicher problemlos, wenn die zusammengesetzte Leistung mit einem Gesamtentgelt der Summe der Einzelentgelte entspricht. Es fragt sich, ob die Aufteilung auch nach den Einzelpreisen bzw. –entgelten aufzuteilen ist, wenn das Gesamtentgelt niedriger ist als die Summe der Einzelentgelte. Wenn man wie der BFH eine lineare Abweichung bei allen Teilen der Einzelentgelte vornimmt, ist die Frage zu bejahen. M. E. kann wegen einer "Preisbestimmungsautonomie" im Regelfall ohne betriebliche Besonderheiten keine abweichende Aufteilung vorgenommen werden.
Allerdings muss sich der BFH erneut mit der Frage beschäftigen, ob die Aufteilung nach dem Verhältnis der Einzelverkaufspreise tatsächlich die (einzige, da) "einfachstmögliche Methode" darstellt, oder ob nicht auch eine Aufteilung nach dem Wareneinkaufspreis eine zulässige Aufteilungsmethode darstellen kann. Auch die Zahlung eines verlorenen Baukostenzuschusses ist vom BFH als Zusammenfassung von Teilentgelten für die echten Teilleistungen des Mietvertrags angesehen worden. In diesem Fall lässt sich der Betrag zeitanteilig auf die einzelnen Teilleistungen aufteilen. Auch z. B. bei der Einbringung einer Milchquote im Rahmen der Nutzungsüberlassung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ohne selbstständig vereinbartes Entgelt kann eine Teilung des Entgelts erforderlich sein. Kein zusammengefasstes Entgelt ist gegeben, wenn sich eine Mehrzahl von Gegenleistungen praktisch nicht trennen lässt. Überlässt z. B. ein Auftraggeber laufend dem Unternehmer von Polierarbeiten neben der Barvergütung auch die Abfälle, kann der Wert der Sachüberlassung für den einzelnen Polierumsatz nicht ermittelt werden. In diesem Fall ist er zu schätzen.
Rz. 27a
Bei einem gemeinsam vereinbarten Gesamtkaufpreis ist manchmal eine sachgerechte Trennung von zwei Leistungen nur schwer erkennbar. Vereinbart z. B. ein Verlag aufgrund eines Verlagsvertrags mit einem Autor, dass er einen Teil der an den Autor zu liefernden Exemplare zur Abdeckung der Druckkosten mit einem höheren Preis als dem Ladenpreis, weitere Exemplare zum Ladenpreis liefert, handelt es sich um eine Lief...