Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 463
Der EuGH hatte auf Vorlage des FG München entschieden, dass Art. 6 Abs. 2 S. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie ausschließt, die Abschreibungen eines Betriebsgegenstands als Verwendungseigenverbrauch zu besteuern, wenn der Gegenstand wegen Erwerbs von einem Nichtsteuerpflichtigen (Nichtunternehmer) nicht zum Abzug der USt berechtigt habe. Der Ausschluss von der Eigenverbrauchsbesteuerung solle auch gelten, wenn der Steuerpflichtige zwar beim Erwerb des Gegenstands keinen Vorsteuerabzug hatte, wohl aber für Dienstleistungen oder Lieferungen, die er von anderen Unternehmern zur Erhaltung oder zum Gebrauch des Gegenstands in Anspruch genommen und erhalten habe. Schließlich solle die Ausnahmeklausel des Art. 6 Abs. 2 S. 2 der 6. EG-Richtlinie den Mitgliedstaaten nicht das Recht geben, eine Besteuerung des Verwendungseigenverbrauchs in den Fällen vorzunehmen, in denen der verwendete Gegenstand nicht wenigstens zum teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt habe.
Rz. 464
Die Auswirkungen des EuGH-Urteils wurden in der FG-Rechtsprechung, der Literatur und von der Finanzverwaltung sehr unterschiedlich gesehen. Die Finanzverwaltung, ein Teil der Literatur und ein Teil der FG-Rechtsprechung wollten die Entscheidung eng begrenzen. Sie wollten sie z. T. nur auf die vom EuGH entschiedene Herausnahme der AfA beschränken und lehnten eine Ausdehnung auf andere Kosten im Rahmen des Verwendungseigenverbrauchs wie z. B. Garagenanmietung, Kfz-Steuer und Kfz-Versicherung ab. Sie akzeptieren lediglich die entsprechende Behandlung von Fällen, in denen aus anderen Gründen als dem Erwerb vom Nichtunternehmer ein Vorsteuerabzug ausgeschieden war, wie z. B. die Fälle der Einlage, des Erwerbs vom Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 UStG oder der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 28 Buchst. a UStG a. F. Andere vertraten eine weitergehende Auffassung und sahen eine Anwendung auch auf den Entnahme-Eigenverbrauch als zutreffend an. Die Finanzverwaltung hat sich einer Ausdehnung stets so lange verschlossen, bis die Rechtsprechung des EuGH oder des BFH sie zu einer weiteren Öffnung zwang.
Eine Grundsatzentscheidung des EuGH zur Besteuerung des Entnahmeeigenverbrauchs bei den mit Vorsteuerabzug belasteten nachträglich eingebauten Teilen hat dann zu einer abschließenden Klärung geführt. Nach Auffassung des EuGH ergibt sich aus Art. 5 Abs. 6 der 6. EG-RL, dass der Begriff "Bestandteile" sich nur auf greifbare und körperliche, in den Gegenstand integrierte Objekte und nicht auf Dienstleistungen beziehe. Der Begriff des Bestandteils umfasse sowohl Teile, die bereits im Zeitpunkt des ursprünglichen Erwerbs vorhanden waren als auch solche, die später in ihn eingegangen sind. Hat der eingebaute Gegenstand auch nach dem Einbau seine körperliche und wirtschaftliche Eigenart behalten, sind zwei getrennt zu beurteilende Entnahmen zu erfassen. Hat dagegen der eingebaute Gegenstand seine wirtschaftliche Eigenständigkeit verloren, kommt es darauf an, ob der Einbau zu einer dauerhaften Werterhöhung geführt hat und im Zeitpunkt der Entnahme nicht wirtschaftlich schon vollständig verbraucht ist. Nur in diesem Fall liegt eine Entnahme als steuerbarer Umsatz vor. Die Entnahme erfasst aber nur den Bestandteil selbst. Die Bemessungsgrundlage stellt dann den Wert des Bestandteils im Zeitpunkt der Entnahme dar. Sofern nach diesen Grundsätzen keine Entnahme vorliegt, aber die zum Vorsteuerabzug führende Maßnahme (auch als sonstige Leistung) im Moment der Entnahme noch nicht vollständig wirtschaftlich verbraucht ist, wird hierdurch eine Vorsteuerberichtigung ausgelöst.
Rz. 465
Für den Verwendungs-Eigenverbrauch hat der EuGH die Besteuerung auch insoweit beschränkt, als Kosten anfallen, für die ein Vorsteuerabzug auch nicht teilweise möglich ist (z. B. Kfz-Steuer, Kfz-Versicherung u. Ä.). Dem ist die Finanzverwaltung gefolgt und scheidet solche Kosten einzeln oder durch pauschale Abzüge aus der Bemessungsgrundlage des Eigenverbrauchs aus.
Rz. 466
Der BFH hat dem Art. 5 Abs. 6 S. 1 der 6. EG-Richtlinie entnommen, dass auch beim Entnahme-Eigenverbrauch eine Besteuerung für die Fälle ausscheide, in denen beim Erwerb des Gegenstands keine Vorsteuerabzugsberechtigung bestand. Nach dem Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung hat der BFH seine Auffassung bestätigt. Danach hat die Finanzverwaltung aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 6 S. 1 der 6. EG-Richtlinie abgeleitet, dass eine volle Besteuerung des Entnahme-Eigenverbrauchs dann zulässig sei, wenn zwar nicht der entnommene Gegenstand, aber wenigstens ein Bestandteil des Gegenstands zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hätte. Der BFH hat allerdings die Verwaltungsauffassung, nach der aus Vereinfachungsgründen die Eigenverbrauchsbesteuerung unterbleiben könne, "wenn die Aufwendungen (ohne USt) für Verbesserungen, Reparaturen und Wartungsarbeiten (einschließlich Pflege) an dem entnommenen Gegenstand 20 % seiner ursprünglichen Anschaffungskosten nicht übersteigen", ...