Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 468
Nach § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG in der seit dem 1.4.1999 geltenden Fassung wird der Umsatz bei den (fiktiven) als entgeltlich geltenden Lieferungen i. S. d. § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 – Nr. 3 UStG, also der Entnahme eines Gegenstands, der unentgeltlichen Zuwendungen an das Personal für den privaten Gebrauch und andere unentgeltliche Zuwendungen sowie bei dem Verbringen eines Gegenstands aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland bzw. aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet i. S. d. § 1a Abs. 2 UStG und § 3 Abs. 1a UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand bemessen. Mangels eines Einkaufspreises ergibt sich die Bemessungsgrundlage für den Umsatz nach den Selbstkosten. Die Selbstkosten sind also lediglich beim Fehlen eines Einkaufspreises anzusetzen. Eine Entnahme ist auch anzunehmen, wenn ein Unternehmer einen bisher seinem Einzelunternehmen zugeordneten Gegenstand einer sein Unternehmen fortführenden Personengesellschaft, an der er beteiligt ist, unentgeltlich zur Nutzung überlässt. Gibt es für den entnommenen Gegenstand sowohl einen am Markt feststellbaren Einkaufspreis als auch – aufgrund eigener Erzeugung – Selbstkosten, sind nach der Rechtsprechung des BFH vorrangig der Einkaufspreis anzusetzen. Die Selbstkosten sind also auch hier nur eine sekundäre Bemessungsgrundlage. Dies setzt aber eine Gleichartigkeit des selbst erzeugten Gegenstands mit den Anschaffungskosten des am Markt erwerbbaren Gegenstands voraus.
5.2.1.1.1 Maßgebender Zeitpunkt
Rz. 469
Maßgebend sind immer die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Ausführung des unentgeltlichen Umsatzes. Der historische Einkaufspreis oder die historischen Selbstkosten sind für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgaben damit nicht relevant. Dies kann in der Folge dazu führen, dass die sich für die Ausführung der unentgeltlichen Wertabgabe ergebende USt höher (bei steigenden Marktpreisen) oder niedriger (bei sinkenden Marktpreisen) sein kann, als der ursprünglich geltend gemachte Vorsteuerabzug. Die Ermittlung des Einkaufspreises kann sich immer nur auf einen Gegenstand gleicher Art, gleichen Zustands und gleichen Alters im Zeitpunkt der Ausführung der unentgeltlichen Leistung beziehen.
Rz. 469a
Beim Verbringen eines Gegenstands ist der Zeitpunkt des Verbringens maßgebend. Verbringen ist das Befördern oder Versenden des Gegenstands zur eigenen Verfügung aus dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats in das Inland oder umgekehrt. Fraglich ist, ob der Beginn oder die Beendigung des Verbringensvorgangs entscheidend ist und ob es für den als Lieferung im Abgangsmitgliedstaat geltenden Vorgang nach § 3 Abs. 1a UStG und dem im Bestimmungsmitgliedstaat geltenden Vorgang des innergemeinschaftlichen Erwerbs unterschiedliche Zeitpunkte der Ermittlung der Bemessungsgrundlage geben kann. Dies könnte dazu führen, dass – bei z. B. längeren Transportwegen und zwischenzeitlich veränderten Marktgegebenheiten – die Bemessungsgrundlage in den beiden Mitgliedstaaten unterschiedlich sein könnten. Da dies aufgrund der Abstimmung dieser Umsätze über das Mehrwertsteuer-Informations-Austausch-System zu systematischen Problemen führen würde, muss hier eigentlich ein einheitlicher Zeitpunkt und damit eine einheitliche Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt werden. Insoweit sollte hier auf den harmonisierten Meldezeitpunkt abgestellt werden. Ein systematischer Streit über den Ansatz der Bemessungsgrundlage in diesen Fällen wird sich aber in der Praxis nur dann ergeben, wenn der erwerbende Unternehmensteil nicht (oder nicht vollständig) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
5.2.1.1.2 Einkaufspreis einschließlich Nebenkosten
Rz. 470
Der auf den Zeitpunkt der Entnahme zu ermittelnde (fiktive) Einkaufspreis entspricht im Regelfall dem Wiederbeschaffungspreis, den Wiederbeschaffungskosten. Das ist der Preis, den der Unternehmer zzt. der Entnahme, der Lieferung oder des Verbringens aufwenden muss, um einen gleichen (bei vertretbaren Sachen) oder entsprechenden, also gleichartigen Gegenstand zu erhalten. Insbesondere bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern muss ...