Rz. 94
Erwirbt ein bereits als Unternehmer (kein Kleinunternehmer i. S. d. § 19 UStG) tätiger Betreiber nach dem 31.12.2022 zum Nullsteuersatz eine Fotovoltaikanlage, die auch Strom in das öffentliche Stromnetz abgibt, wird durch den Stromverkauf die unternehmerische Tätigkeit ausgeweitet. Der Rahmen des Unternehmens wird erweitert. Der Unternehmer erzielt durch den Stromverkauf zusätzliche Umsätze (Lieferungen). Der Nullsteuersatz ist nach § 12 Abs. 3 UStG lediglich auf die Lieferung von Fotovoltaikanlagen usw. anzuwenden, nicht jedoch auf den Verkauf des mit dieser Anlage erzeugten Stroms. Somit unterliegt der Stromverkauf dem allgemeinen Steuersatz von 19 %. Die entsprechenden Umsätze sind in den USt-Voranmeldungen und der USt-Jahreserklärung anzugeben.
Der Unternehmer sollte den Energieversorger als Abnehmer des Stroms darauf hinweisen, dass dieser in seinen Abrechnungen über den erhaltenen Strom nicht nur die Netto-Einspeisevergütung, sondern auch die darauf entfallende USt ausweist. In diesem Fall erhält der Anlagenbetreiber für seinen Stromverkauf die USt zusätzlich. Der Energieversorger kann die in der Gutschrift an den Anlagenbetreiber ausgewiesene USt unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG in voller Höhe als Vorsteuer abziehen.
Rz. 95
Speist der Unternehmer den mit der Fotovoltaikanlage erzeugten Strom nur teilweise in das öffentliche Stromnetz ein und verbraucht den weiteren Strom für unternehmensfremde (private) Zwecke, braucht er für den dezentral (privat) verbrauchten Strom keine Wertabgabenbesteuerung vorzunehmen. Nach der Verwaltungsauffassung sei mangels Vorsteuerabzug beim Erwerber der Anlage – anders als in sog. Altfällen – für ein systemgerechtes Ergebnis kein Ausgleich eines Vorsteuerabzugs erforderlich. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 UStG lägen damit nicht vor. Anders als bisher (Anschaffung der Anlage vor dem 1.1.2023) erfolgt in diesen Fällen hinsichtlich des dezentral (privat) verbrauchten Stroms keine Versteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe. Die Verwendung des durch die Fotovoltaikanlage erzeugten Stroms für unternehmerische Zwecke (z. B. für einen Gewerbebetrieb) führt als nicht steuerbarer Innenumsatz ohnehin weder bei Altanlagen noch bei Neuanlagen zu einer unentgeltlichen Wertabgabe.
Durch die Nichtbesteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe für den dezentral (privat) verbrauchten Strom profitieren insoweit auch die Betreiber von nach dem 31.12.2022 angeschafften sog. Neuanlagen, die die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG z. B. wegen anderweitiger Umsätze nicht anwenden können oder auch nicht anwenden wollen, von der Einführung des Nullsteuersatzes.
Rz. 96
Ein selbstständiger Dekorateur erzielt im Jahr 2023 Umsätze aus der Dekorationstätigkeit i. H. v. 100.000 EUR netto. Er lässt im Januar 2023 auf dem Dach seines Einfamilienhauses eine Fotovoltaikanlage installieren. Der Solarunternehmer stellt für die Werklieferung 30.000 EUR zum Nullsteuersatz in Rechnung. Der Dekorateur erhält von seinem Energieunternehmen im Jahr 2023 eine Einspeisevergütung von 1.000 EUR zuzüglich 19 % USt = 190 EUR, zusammen 1.190 EUR brutto. Er verbraucht im Jahr 2023 von der Fotovoltaikanlage erzeugten Strom im Wert von 800 EUR in seinem Haushalt.
In seinen USt-Voranmeldungen des Jahres 2023 und der USt-Jahreserklärung 2023 hat der Dekorateur neben seinen Umsätzen aus der Dekorationstätigkeit i. H. v. 100.000 EUR netto auch den Stromverkauf von 1.000 EUR netto als Umsätze zum allgemeinen Steuersatz von 19 % USt zu erklären und die darauf entfallende USt abzüglich der Vorsteuer an das Finanzamt abzuführen. Für den dezentral (privat) verbrauchten Strom ist keine unentgeltliche Wertabgabe zu erklären.