Rz. 24
Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 UStG bestimmt in einem umfangreichen Katalog diejenigen Umsätze, die nicht dem allgemeinen, sondern nur dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Systematisch lassen sich die Vergünstigungstatbestände in folgende Gruppen zusammenfassen:
- Lieferungen, unentgeltliche Wertabgaben, Einfuhr, innergemeinschaftlicher Erwerb und Vermietung bestimmter Gegenstände
- Leistungen im Bereich der Landwirtschaft
- freiberufliche Leistungen (bis 31.12.1981; § 12 Abs. 2 Nr. 5 und 6 UStG a. F.),
- kulturelle Leistungen
- Leistungen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen
- Leistungen im Bereich des Gesundheitswesens
- Personenbeförderungen im öffentlichen Nahverkehr und im Eisenbahnfernverkehr
- Leistungen im Bereich des Tourismus.
Der zum 1.1.2023 anzuwendende Nullsteuersatz nach § 12 Abs. 3 UStG auf die Lieferung und Installation von Fotovoltaikanlagen und deren Komponenten (§ 12 UStG Rz. 67f, § 12 Abs. 3 UStG Rz. 1ff.) begünstigt Umsätze, die dem Klimawandel entgegenwirken durch Stromerzeugung mithilfe erneuerbarer Energien.
Rz. 25
Ebenso wie der allgemeine Steuersatz des § 12 Abs. 1 UStG gelten auch die ermäßigten Steuersätze des § 12 Abs. 2 und 3 UStG nicht für Land- und Forstwirte, soweit sie unter die Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 Abs. 1 bis 3 UStG fallen.
Rz. 26
Die Vorschriften des § 12 Abs. 2 und 3 UStG haben als Sondervorschriften Vorrang vor § 12 Abs. 1 UStG. Die ermäßigten Steuersätze nach § 12 Abs. 2 und 3 UStG sind, soweit die Voraussetzungen für ihre Anwendung vorliegen, von Amts wegen zu gewähren. Eines besonderen Antrags oder einer Genehmigung des FA bedarf es nicht. Auch an einen besonderen buchmäßigen Nachweis ist die Inanspruchnahme der Steuerermäßigungen nicht geknüpft. Allerdings ist der Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen und dabei die Entgelte und sonstigen Bemessungsgrundlagen für steuerpflichtige Umsätze nach Steuersätzen zu trennen. Der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 UStG kann aber nicht allein deshalb versagt werden, weil der Unternehmer seinen Aufzeichnungspflichten nicht nachkommt.
Rz. 27
Wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der ermäßigten Steuersätze erfüllt sind, müssen diese grundsätzlich zwingend auf den entsprechenden Umsatz angewendet werden. Eine Wahlmöglichkeit der Anwendung der ermäßigten Steuersätze oder eine der Regelung in § 9 UStG vergleichbare Option zur Anwendung des allgemeinen Steuersatzes besteht nicht. Rechtlich gesehen hat der Unternehmer somit keine Möglichkeit, bei Umsätzen z. B. an andere Unternehmer für deren Unternehmen auf die Anwendung der ermäßigten Steuersätze zu verzichten, d. h. den Umsatz freiwillig dem allgemeinen Steuersatz zu unterwerfen. Auch wenn der Unternehmer seine Leistungen an andere voll zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer erbringt, sollte er sich bemühen, den zutreffenden Umsatzsteuersatz zu ermitteln und den entsprechenden Steuerbetrag gesondert in Rechnung zu stellen. Weist er nämlich in der Rechnung an einen anderen Unternehmer bewusst oder unbewusst für eine den ermäßigten Steuersätzen unterliegende Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag zum allgemeinen Steuersatz aus, so schuldet er die zu hoch ausgewiesene USt (Differenzbetrag zwischen allgemeinem Steuersatz und ermäßigtem Steuersatz von 7 % bzw. Nullsteuersatz) nach § 14c Abs. 1 UStG. Gleichwohl kann – weil es sich insoweit nicht um die gesetzlich geschuldete USt i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG handelt – der Leistungsempfänger die zu hoch ausgewiesene USt nicht als Vorsteuer abziehen. Versagt das FA – eventuell nachträglich im Rahmen einer Außenprüfung – dem Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug hinsichtlich des Steuerbetrags, der die ermäßigten USt-Sätze übersteigt, kann der Leistungserbringer die Rechnungen mit der zu hoch ausgewiesenen USt berichtigen. Zu den weiteren Konsequenzen bei fälschlicher Anwendung des allgemeinen Steuersatzes statt zutreffend des ermäßigten Steuersatzes (einschließlich des Nullsteuersatzes) s. § 12 UStG Rz. 83ff.