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Für die betroffenen Unternehmer bedeutete die befristete Steuersatzsenkung einen erheblichen Umstellungsaufwand, der sehr kurzfristig zu bewältigen war. In der Literatur wird kritisiert, dass eine nur auf sechs Monate befristete Steuersatzsenkung bei den Unternehmen für umfangreiche Abrechnungsprobleme sorgen wird und einen unvertretbaren Umstellungsaufwand bei der Neuprogrammierung von Kassensystemen, Erstellung von Preislisten oder Neuauszeichnung von Preisen provoziert. Auch der Einzelhandel hatte einen hohen Umstellungsaufwand. Was die Neuauszeichnung von Preisen betraf, gab es allerdings Erleichterungen. Das BMWi wies darauf hin, dass die Unternehmer von der Ausnahmemöglichkeit des § 9 Abs. 2 Preisangabenverordnung (PAngV) Gebrauch machen und nach entsprechender Ankündigung bzw. Werbung pauschale Rabatte an der Kasse gewähren können. In diesem Fall konnte auf die Neuauszeichnung der Preise an der Ware bzw. an den Regalen verzichtet werden.
Auch die Vertreter der steuerberatenden Berufe waren von der überraschenden Ankündigung der Senkung der USt-Sätze am 3.6.2020 nicht gerade begeistert. Der Präsident der Bundessteuerberaterkammer sprach gar von einer Hiobsbotschaft. Der immense Umstellungsaufwand bei den Unternehmern und ihren steuerlichen Beratern könnte im Einzelfall die positiven Effekte aus der Steuersatzsenkung relativieren oder sogar überkompensieren. Auch Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag sprachen bei den Erörterungen im BT-Finanzausschuss am 23.6.2020 von einem Bürokratiemonster mit hohen Umstellungskosten und fragwürdiger Wirkung. Tatsächlich hatten die Unternehmer und ihre Steuerberater in allen Branchen, aber insbesondere in der Gastronomie einen beträchtlichen Umstellungsaufwand. Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (mit Ausnahme der Abgabe von Getränken) werden nämlich bis 30.6.2020 mit 19 % besteuert, im zweiten Halbjahr 2020 mit 5 %, vom 1.1.2021 bis 31.12.2023 mit 7 % und ab 1.1.2024 wieder mit 19 % (§ 12 Abs. 2 Nr. 15 Rz. 1ff.).
Der Gesetzgeber war – gestützt auf Berechnungen des Statistischen Bundesamts – in der Gesetzesbegründung von einem Erfüllungsaufwand für die Absenkung der USt-Sätze von ca. 238,6 Mio. EUR ausgegangen. Dabei wurde allerdings unterstellt, dass die Unternehmen von § 9 Abs. 2 PAngV Gebrauch machen und auf eine individuelle Neuauszeichnung der Preise verzichten. In der Literatur wurde kritisch hinterfragt, inwieweit die Bürokratiekosten möglicherweise höher ausfallen könnten.