7.1 Fälschliche Anwendung des ermäßigten Steuersatzes statt zutreffend des allgemeinen Steuersatzes
7.1.1 Lieferungen und sonstige Leistungen, für die der leistende Unternehmer die Steuer schuldet
Rz. 75
Unternehmer, die auf eine von ihnen ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung statt zutreffend den allgemeinen Steuersatz fälschlicherweise (irrtümlich oder bewusst) den ermäßigten Steuersatz angewendet haben, schulden gleichwohl die USt zum allgemeinen Steuersatz. Die Steuer berechnet sich in diesem Fall ausgehend vom tatsächlich vereinnahmten Preis für die Warenlieferung oder sonstige Leistung (Bruttobetrag). Aus diesem Bruttobetrag wird die zutreffende USt herausgerechnet. Der Leistungsempfänger darf – solange keine berichtigte Rechnung vorliegt – nur die tatsächlich in der Rechnung ausgewiesene USt zum ermäßigten Steuersatz als Vorsteuer abziehen, nicht etwa eine fiktive Vorsteuer zum allgemeinen Steuersatz.
Beispiel 1:
Ein Großhändler liefert im Januar 01 einem Einzelhändler einen nicht in der Anlage 2 des UStG aufgeführten Gegenstand, sodass nach § 12 Abs. 1 UStG der allgemeine Steuersatz anzuwenden ist. Der Großhändler geht irrtümlich von einem begünstigten Gegenstand aus und erteilt eine Rechnung über 1.000 EUR zuzüglich 7 % = 70 EUR USt. Er meldet den Umsatz und die darauf entfallende Steuer in der USt-Voranmeldung für Januar 01 unter "steuerpflichtige Umsätze zum Steuersatz von 7 %" an und führt die USt von 70 EUR an das FA ab. Der Einzelhändler bemerkt den Fehler nicht. Er zieht die in Rechnung gestellten 70 EUR USt als Vorsteuer ab und begleicht zwei Wochen später den vollen Rechnungsbetrag von 1.070 EUR.
Das FA entdeckt die fehlerhafte Anwendung des ermäßigten Steuersatzes anlässlich einer späteren Außenprüfung. Es ermittelt die zutreffende Steuer für den Umsatz wie folgt:
Gesamtrechnungsbetrag |
1.070,00 EUR |
Herausrechnung der zutreffenden Steuer mit 19/119 |
170,84 EUR |
bisher abgeführte Steuer |
70,00 EUR |
Umsatzsteuernachforderung aufgrund der Außenprüfung |
100,84 EUR |
Der Einzelhändler kann nur den tatsächlich in Rechnung gestellten Steuerbetrag von 70 EUR als Vorsteuer abziehen.
Rz. 76
Wenn der Unternehmer über die Lieferung oder sonstige Leistung eine Rechnung erteilt hat, bleibt es ihm unbenommen, diese zu berichtigen (Ausweis der USt zum allgemeinen Steuersatz statt bisher zum ermäßigten Steuersatz). Ob allerdings der Unternehmer gegenüber seinem Leistungsempfänger einen Anspruch auf den höheren Bruttobetrag hat, ist eine Frage des Zivilrechts, nicht des Steuerrechts. Maßgebend sind die Preisvereinbarungen in Angeboten, Verträgen usw. Leistungsempfänger, die zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, können die in der späteren berichtigten Rechnung zutreffend ausgewiesene USt zum allgemeinen Steuersatz noch nachträglich als Vorsteuer abziehen, sobald sie im Besitz der berichtigten Rechnung sind.
Beispiel 2:
Der Großhändler aus Beispiel 1 berichtigt im Anschluss an die Außenprüfung des FA seine Rechnung. In der berichtigten Rechnung führt er den Gegenstand nunmehr mit 1.000 EUR zuzüglich 19 % USt = 190 EUR auf und bittet den Einzelhändler um Überweisung des Mehrbetrags von 120 EUR. Der Einzelhändler akzeptiert die berichtigte Rechnung und überweist den Mehrbetrag von 120 EUR.
Der Großhändler rechnet die USt aus dem nachträglich gezahlten Betrag wie folgt heraus:
Nachzahlungsbetrag brutto |
120,00 EUR |
Herausrechnung der zutreffenden Steuer mit 19/119 |
19,16 EUR |
Entgelt |
100,84 EUR |
In der nächsten USt-Voranmeldung meldet der Großhändler das Entgelt von 100,84 EUR und die darauf entfallende USt von 19,16 EUR unter "steuerpflichtige Umsätze zum Steuersatz von 19 %" an und führt die USt von 19,16 EUR an das FA ab. Im Ergebnis hat der Großhändler nunmehr für den Umsatz von netto 1.000 EUR die darauf entfallende USt von 19 % = 190 EUR in den nachfolgend aufgeführten Teilbeträgen an das FA abgeführt:
Ursprüngliche USt-Voranmeldung für Januar 01 |
70,00 EUR |
USt-Nachforderung aufgrund der Außenprüfung |
100,84 EUR |
Restbetrag aufgrund der zusätzlichen Zahlung von 120 EUR |
19,16 EUR |
Summe |
190,00 EUR |
Der Einzelhändler ist nunmehr im Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung, in der der zutreffende Steuerbetrag von 190 EUR gesondert ausgewiesen ist. Zusätzlich zu seinem Vorsteuerabzug aus der ersten Rechnung (= 70 EUR) zieht er den nachträglich überwiesenen Betrag von 120 EUR als Vorsteuer ab, sodass er im Ergebnis insgesamt 190 EUR (70 EUR + 120 EUR) als Vorsteuer zutreffend abgezogen hat.
7.1.2 Lieferungen und sonstige Leistungen, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet
Rz. 77
Für bestimmte, in § 13b Abs. 2 UStG im Einzelnen aufgeführte Umsätze schuldet nicht – wie es den Grundsätzen des UStG entspricht – der leistende Unternehmer die USt, sondern der Leistungsempfänger. Berechnen zur Übernahme der Steuerschuld nach § 13b UStG verpflichtete Leistungsempfänger die USt für an sie ausgeführte (Werk-)Lieferungen oder sonstige Leistungen statt zutreffend zum allgemeinen Steuersatz fälschlicherweise zum ermäßigten Steuersatz, schulden sie gleichwohl die USt zum allgemeinen Steuersatz. Voll zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer können die auf sie übertragene Steuerschuld in voller Höhe als Vorsteuer abziehen. Der Unternehmer kann bei Vorliegen der weiteren V...