5.1 Zeitpunkt der Inanspruchnahme
Rz. 52
Die Haftungsinanspruchnahme ist frühestens dann zulässig, wenn alle Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind. Da neben der Vereinnahmung durch den Abtretungsempfänger auch die Nichtentrichtung der Steuerschuld bei Fälligkeit zu diesen Voraussetzungen gehört, kann erst nach dem Feststehen der Nichtentrichtung der Haftungsbescheid ergehen. Nach Abschn. 13c.1 Abs. 31 UStAE soll dabei auch die Schonfrist des § 240 Abs. 3 AO zu beachten sein, sodass erst nach Ablauf dieser Schonfrist ein Haftungsbescheid erteilt werden darf. Der Haftungsschuldner kann auch nach Ergehen eines Umsatzsteuer-Jahresbescheids gegenüber dem Steuerschuldner durch Haftungsbescheid für rückständige Umsatzsteuer-Vorauszahlungen in Anspruch genommen werden, wenn die Haftungsvoraussetzungen (nur) bezüglich der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen vorliegen; die Höhe der Haftung bestimmt sich dann aber unter Berücksichtigung der im Jahresbescheid festgesetzten Steuerschuld.
5.2 Kein Ermessen
Rz. 53
Abs. 2 S. 1 bestimmt, dass – bei Erfüllung aller anderen Voraussetzungen – der Abtretungsempfänger ab dem Zeitpunkt, in dem die USt fällig wird, in Anspruch zu nehmen ist. Die Inanspruchnahme ist demnach zwingend. Das FA hat insoweit keinen Ermessensspielraum. Es ist verpflichtet, einen Haftungsbescheid zu erlassen. Auf ein Verschulden des Abtretungsempfängers kommt es nicht an.
5.2.1 Handlungsermessen
Rz. 54
§ 191 AO sagt, dass durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden kann, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Grundsätzlich besteht für die Finanzbehörde also ein Ermessensspielraum, ob sie jemand in Haftung nehmen will (Handlungsermessen). Es besteht grundsätzlich keine Verpflichtung zur Haftungsinanspruchnahme. § 13c Abs. 2 S. 2 UStG hat dieses mit den Worten "abweichend von § 191 AO" eindeutig klargestellt.
Rz. 55
Abweichend hiervon schreibt § 13c UStG für die Haftung nach dieser Vorschrift die Haftungsinanspruchnahme vor, sodass ausnahmsweise kein Handlungsermessen besteht. Soll allerdings die Haftung nach § 13c UStG gegenüber einem Steuerpflichtigen wiederum im Wege der Haftung geltend gemacht werden, gilt für diese Haftungsinanspruchnahme des (weiteren) Haftenden ein Handlungsermessen.
5.2.2 Auswahlermessen – Gesamtschuldnerschaft
Rz. 56
Der Steuerschuldner (Abtretender) und der haftende Abtretungsempfänger sind Gesamtschuldner i. S. d. § 44 Abs. 1 S. 1 AO. Das Gesamtschuldverhältnis soll mit der Festsetzung der Haftungsschuld, also mit dem Erlass des Haftungsbescheids begründet werden. Zahlt der Abtretungsempfänger die Haftungsschuld, erlischt also die Gesamtschuld. Der Zessionar kann nach seiner Zahlung nach § 426 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1 BGB vom Zedenten einen vollen Ausgleich verlangen. Der Haftungsschuldner ist dabei zeitlich nachrangig in Anspruch zu nehmen.
5.3 Haftungsbescheid
Rz. 57
Die Haftung wird durch Haftungsbescheid gem. § 191 Abs. 1 S. 1 AO geltend gemacht. Abs. 2 S. 2 schließt nur das Bestehen eines Ermessens "abweichend von § 191 der Abgabenordnung" aus, nicht dagegen die Anwendung der Vorschrift allgemein. Auf ein Verschulden des Abtretungsempfängers kommt es nicht an. In Betracht kommt auch das Ergehen mehrerer Haftungsbescheide nacheinander, wenn z. B. die Forderung durch den Abtretungsempfänger in Teilbeträgen vereinnahmt wird.
5.3.1 Zuständigkeit
Rz. 58
Da weder die AO noch das UStG eine Regelung der örtlichen Zuständigkeit für die Haftung vorsehen, gilt die Ersatzzuständigkeit nach § 24 AO. Für die Haftung des Abtretungsempfängers ist nach dieser Vorschrift das FA zuständig, in dessen Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervorgetreten ist. Das ist das für die USt des leistenden Unternehmers zuständige Finanzamt. Betreibt der leistende Unternehmer sein Unternehmen vom Geltungsbereich der AO aus, ist gem. § 21 Abs. 1 S. 1 AO das FA zuständig, in dessen Bezirk die Geschäftsleitung des Unternehmers liegt. Ist eine Geschäftsleitung im Geltungsbereich der AO nicht vorhanden, soll sich die örtliche Zuständigkeit des für den leistenden Unternehmer zuständigen Zentralfinanzamts nach der USt-Zuständigkeitsverordnung ergeben.