Rz. 188
Wurden Vorsteuern im Jahr des Leistungsbezugs abgezogen, obwohl die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG nicht vorgelegen haben (z. B. ungerechtfertigte Zuordnung des erworbenen Wirtschaftsguts zum Unternehmen, fehlerhafte Bejahung der Unternehmereigenschaft, fehlerhafte Annahme einer Lieferung oder sonstigen Leistung, fehlerhafte Bejahung einer ordnungsgemäßen Rechnung), so kann dieser Fehler nach Bekanntwerden nur durch Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung nach AO-Vorschriften korrigiert werden. Eine Berichtigung des Vorsteuerbetrags nach § 15a UStG ist nicht zulässig. Dies gilt auch, falls die Steuerfestsetzung im Jahr des Leistungsbezugs nach AO-Vorschriften nicht mehr änderbar ist. In diesem Fall verbleibt es beim fehlerhaften Vorsteuerabzug ohne Kompensationsmöglichkeiten in einem Folgejahr.
Rz. 189
Ergibt sich nachträglich – z. B. aufgrund einer Außenprüfung –, dass die Entscheidung über den Vorsteuerabzug für den Zeitpunkt des Leistungsbezugs aus der Sicht des § 15 Abs. 2 und 3 UStG unrichtig war, sei es, weil der Vorsteuerabzug in vollem Umfang zu Unrecht in Anspruch genommen wurde oder unterblieben ist oder für den Vorsteuerabzug keine oder eine unzutreffende Aufteilung (§ 15 Abs. 4 UStG) vorgenommen wurde, so ist die Steuerfestsetzung für das Jahr des Leistungsbezugs nach AO-Vorschriften zu korrigieren, wenn das noch möglich ist. Entsprechend sind auch die Steuerfestsetzungen für die späteren Jahre des Berichtigungszeitraums zu korrigieren, für die zwischenzeitliche Vorsteuerberichtigungen nach § 15a UStG durchgeführt wurden.
Rz. 190
Ist eine Änderung der Steuerfestsetzung für das Jahr des Leistungsbezugs nach AO-Vorschriften wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr möglich, so markiert die für das Jahr des Leistungsbezugs getroffene rechtliche Beurteilung der Verwendungsumsätze, egal ob sie zutreffend oder unzutreffend war, den Vergleichsmaßstab für den Berichtigungszeitraum. Die rechtlich richtige Würdigung des Verwendungsumsatzes in einem noch nicht bestandskräftigen Jahr des Berichtigungszeitraums führt folglich zu einer Änderung der Verhältnisse i. S. v. § 15a UStG und ermöglicht somit die Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG in allen noch änderbaren Steuerfestsetzungen des Berichtigungszeitraums, die zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen erfolgen kann.
Beispiel (in Anlehnung an Nieskens, UR 1994, 230):
Für eine im Kj. 01 angeschaffte Maschine beträgt die auf die Anschaffungskosten entfallende Vorsteuer 10.000 EUR. Davon hat der Unternehmer fälschlicherweise 80 % abgezogen, obwohl im Zeitpunkt des Leistungsbezugs beabsichtigt war, die Maschine zu 50 % zur Ausführung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigender Umsätze zu verwenden. Die Änderung dieser Steuerfestsetzung ist abgabenrechtlich nicht mehr zulässig. Im Kj. 02 hat der Unternehmer die Maschine tatsächlich zu 80 % zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendet. In 03 dient die Maschine ausschließlich und in den weiteren Folgejahren zu 50 % für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze. Der Berichtigungszeitraum beträgt 5 Jahre. Die Steuerfestsetzungen ab dem Jahr 02 stehen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Die für § 15a UStG maßgebenden Verwendungsverhältnisse im Zeitpunkt des Leistungsbezugs sind unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung die infolge einer rechtlich falschen, aber nicht mehr änderbaren Beurteilung festgesetzten Verwendungsverhältnisse des Jahres 01. Danach steht dem Unternehmer ein Vorsteuerabzug i. H. v. 8.000 EUR zu. Im Jahr 02 liegt keine Änderung der Verwendungsverhältnisse vor, da die in diesem Jahr tatsächlich vorliegende Verwendung zu einer Vorsteuerabzugsberechtigung von 80 % und somit zu keiner Änderung im Verhältnis zum maßgebenden Jahr des Leistungsbezugs (01) führt. Im Jahr 03 liegt gegenüber dem maßgebenden Jahr des Leistungsbezugs (01) eine Verwendungsänderung um 20 % vor, da die Maschine ausschließlich für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet wird. In den Jahren 04 und 05 liegt im Verhältnis zum maßgebenden Jahr des Leistungsbezugs (01) eine Verwendungsänderung von je ./. 30 % vor, da die Maschine nur zu 50 % für zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet wird.