2.3.1 Allgemeines
Rz. 66
Gemäß § 18d S. 1 UStG kann von einem Steuerpflichtigen zur Erfüllung der Auskunftsverpflichtung nach der Zusammenarbeits-VO die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden verlangt werden. Dieser Gesetzeswortlaut entspricht vom Umfang der Vorlagepflicht her dem des § 97 Abs. 1 S. 1 AO, sodass insoweit (in Deutschland) auf die zu dieser Vorschrift geltenden Grundsätze zurückgegriffen werden muss, was insbesondere für Inhalt und Reichweite der Auskunftserteilung von Bedeutung ist. M. E. gelten deshalb bei § 18d UStG die entsprechenden Ansätze wie bei § 97 AO, denn der Gesetzgeber hat hier zur Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben erkennbar auf dieselbe Terminologie abgestellt. Der weiteren Erläuterung bedürfen hier aber drei Punkte: Erstens ist dies der Begriff der Urkunde und damit die Reichweite der Vorlagepflicht; einer Betrachtung bedürfen auch die Vorlagepflicht selber – mithin die Frage nach dem zur Vorlage verpflichteten Personenkreis (Rz. 76ff.) – und zuletzt die Frage nach dem Ort der Vorlage der Urkunden (Rz. 84ff.).
Rz. 67
Allgemein ist zunächst zu beachten, dass § 18d UStG die wesentlichen inhaltlichen Beschränkungen des § 97 AO nicht vorsieht, da die rechtlichen Grundlagen der Vorschrift voneinander abweichen. Denknotwendig anders ist zunächst der Inhalt des Abs. 1 S. 2, da Vorlageverlangen nach § 18d UStG immer der Besteuerung "anderer Personen" dienen. Auch die Subsidiarität des Vorlageverlangens gegenüber einem Auskunftsverlangen kann bei § 18d Abs. 2 UStG schon deshalb nicht gelten, weil dies von einer inländischen Finanzbehörde nicht beurteilt werden kann, weil der "Anstoß" der Prüfung aus einem anderen Mitgliedstaat kommt.
2.3.2 Der Begriff der Urkunde
Rz. 68
Nach dem Inhalt der Vorschriften des § 97 AO und des § 18d UStG ist der Begriff der Urkunde der Sammelbegriff der vorzulegenden Bücher, Aufzeichnungen und Geschäftspapiere. Nach dem Sprachgebrauch sind solche Urkunden, die in einem Schriftstück verkörperten oder auf Daten- oder Bildträgern festgehaltenen Gedankenerklärungen, welche allgemein oder für Eingeweihte verständlich sind, den Urheber erkennen lassen und zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache geeignet sind. Urkunden sind demnach keinesfalls nur notarielle Urkunden, der Begriff ist vielmehr weit; darunter fallen im Prinzip sämtliche Geschäftsunterlagen eines Unternehmers.
Rz. 69
Urkunden sind demnach z. B. Bankauszüge, Briefe, Telegramme und Spendenbescheinigungen, vor allem aber sind es – bezogen auf § 18d UStG und das Umsatzsteuerrecht – sämtliche Belege wie Rechnungen, Versandbestätigungen, Abholbestätigungen u. Ä., welche zu einem konkreten Geschäftsvorfall oder in einer bestimmten Zeitperiode entstanden sind. Problematisch kann das Verlangen zur Vorlage privater Belege sein, wie etwa der privaten Konto- oder Bankauszüge. Deren Vorlage kann wohl grundsätzlich verlangt werden – sofern sie denn in der Verfügungsmacht des Betroffenen stehen –, derartige Verlangen müssen allerdings immer verhältnismäßig sein und außerdem dürfen keine Ermittlungen "ins Blaue hinein" oder "Rasterfahndungen" erfolgen. Im Rahmen von Vorlageverlangen nach § 18d UStG dürfte diese Frage allerdings nur selten relevant werden. Hier kann es nur um die Erlangung von Informationen über Geschäftsvorfälle, welche der Unternehmer mit einem anderen Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat ausgeführt hat, gehen, nicht aber um die Feststellung unversteuerter Einnahmen und die damit verbundene Zuschätzung von Einnahmen. Ein Vorlageverlangen der genannten Unterlagen dürfte somit i. d. R. nicht erforderlich und damit auch unverhältnismäßig sein.
Rz. 70
Der Vorlagepflicht unterliegen natürlich auch Urkunden, die auf einem "Bildträger" oder – wesentlich praxisrelevanter – auf einem Datenträger gespeichert sind. Der über § 18d S. 3 UStG anwendbare § 97 Abs. 2 S. 2 AO erklärt wiederum ausdrücklich die Regelung des § 147 Abs. 5 AO für entsprechend anwendbar. Die in dieser Vorschrift vorgesehene Verpflichtung zur Gewährung der Lesbarkeit von Daten sowie das gewährte Recht zur Einsicht in die EDV des Betroffenen ist unverzichtbar, weil viele Unternehmen ihre Unterlagen nur noch zu einem geringen Teil in Papierform führen. Die Notwendigkeit einer solchen Vorlagepflicht ist durch die weitgehende Zulassung der elektronischen Rechnung durch den ab 1.7.2011 neu gefassten § 14 UStG unabwendbar geworden, da die Einsicht in die Rechnungen für die Auskünfte nach der Zusammenarbeits-VO oft unerlässlich sind.
Rz. 71
Ausdrücklich hinzuweisen ist aber darauf, dass der Finanzbeamte bei Maßnahmen nach § 18d UStG ohne das Einverständnis des Betroffenen nicht dazu berechtigt ist, die EDV zu sichten, er darf sie insbesondere nicht selber in Betrieb nehmen und gar "durchsuchen". Er darf die Einsicht zwar verlangen, aber i. d. R. nicht selber durchsetzen. Die Finanzbehörde hat demnach bei dieser Form der Aufbewahrung nur "ein Recht zur Vorlage der Unterlagen" und zur "Lesbarmachung" von EDV-Daten. Im...