Rz. 12
§ 18f UStG hat als rein verfahrensrechtliche Regelung keine unmittelbare Korrespondenzvorschrift im Unionsrecht, insbesondere in der bei Einführung des § 18f UStG noch geltenden 6. EG-Richtlinie fanden sich lediglich allgemeine Bestimmungen zum Recht auf Vorsteuerabzug; von daher ist die Regelung des § 18f UStG m. E. unionsrechtlich unbedenklich, denn sie dient – natürlich bei ihrer richtigen Anwendung und der ordnungsgemäßen Ausübung des Verwaltungsermessens – der Sicherung des deutschen Umsatzsteueraufkommens. Die Regelung könnte allenfalls – je nach ihrer praktischen Anwendung – in Konflikt zu Art. 183 MwStSystRL (zuvor: Art. 18 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie) stehen. Diese Vorschrift bestimmt für den Fall, dass der Betrag der zulässigen Vorsteuerabzüge den Betrag der für einen Erklärungszeitraum geschuldeten Steuer übersteigt, dass die Mitgliedstaaten den Überschuss entweder auf den folgenden Zeitraum vortragen lassen oder ihn nach den von ihnen festgelegten Einzelheiten erstatten können. Von einer Versagung der Erstattung ohne Sicherheitsleistung ist dort aber keine Rede.
Rz. 13
Der EuGH hatte in diesem Zusammenhang mit Urteil v. 18.12.1997 darüber zu befinden, ob die nach belgischem Recht mögliche Zurückbehaltung von Vorsteuerüberhängen als Sicherheit für später zu erwartende Umsatzsteuerschulden mit Art. 18 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie vereinbar war. In den Streitfällen hatten die beklagten Finanzbehörden unter Ausübung eines im belgischen Umsatzsteuerrecht geregelten Zurückbehaltungsrechts die Auszahlungen von Vorsteuererstattungsansprüchen verweigert, bis Klarheit über die tatsächliche Höhe der Umsätze in anderen Besteuerungszeiträumen bestand. Für diese Zeiträume vermuteten die Finanzbehörden unrichtige oder unvollständige Angaben in den Steuererklärungen. Die Kläger beriefen sich unmittelbar auf Art. 18 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie, wonach Mehrwertsteuerguthaben entweder erstattet oder auf den folgenden Erklärungszeitraum vorgetragen werden müssen. Die beklagten Finanzbehörden waren der Meinung, das Institut der Zurückbehaltung gehöre zum Steuererhebungsverfahren und könne damit als Teil des Verfahrensrechts nicht unter Art. 18 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie fallen. Der EuGH hatte hier den beklagten Finanzbehörden darin zugestimmt, dass sich die Richtlinienvorschrift auf die Erstattung eines materiell-rechtlich richtigen Vorsteuerüberhangs bezieht und damit von einem "steuerehrlichen" Verhalten des Steuerpflichtigen ausgeht. Sie könne somit eine derartige verfahrensrechtliche Maßnahme nicht verbieten.
Rz. 14
Weiter untersuchte der EuGH in seinem Urteil v. 18.12.1997 die Frage, ob die Zurückbehaltungsmaßnahmen ggf. den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt haben. Die Entscheidung hierüber überließ er aber dem nationalen Gericht und führte nur allgemein aus, unter welchen Voraussetzungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt sein könnte. Es sei zwar legitim, dass Mitgliedstaaten ihre fiskalischen Ansprüche möglichst wirksam schützen wollten. Derartige Maßnahmen dürften aber nicht so eingesetzt werden, dass sie systematisch das Vorsteuerabzugsrecht infrage stellten. Außerdem dürften die nationalen Bestimmungen die effektive gerichtliche Kontrolle der Eilbedürftigkeit und der Notwendigkeit der Zurückbehaltung der Vorsteuerguthaben nicht behindern. Auch dürfte es dem Steuerpflichtigen nicht verwehrt sein, gerichtlich eine andere Sicherheitsmaßnahme zu erwirken. Nach den vom EuGH aufgestellten Grundsätzen könnte deshalb eine überlange Zeitspanne, in der ein in der Voranmeldung geltend gemachter Vorsteuerüberhang nicht erstattet wird oder ein Änderungsbescheid mit einer Herabsetzung der Steuerschuld ergeht, unverhältnismäßig sein. Diese Maßstäbe lassen sich wohl auch darauf übertragen, wenn die Finanzbehörde von § 18f UStG in einem ihr Sicherheitsbedürfnis übersteigenden Maß Gebrauch machen würde.
Rz. 15
Der EuGH hatte des Weiteren mit Urteil v. 25.10.2001 zur Frage der Modalitäten der Erstattung eines Vorsteuerguthabens Stellung genommen. Danach ist die Auszahlung eines Vorsteuerüberschusses ein Grundelement, das die Anwendung des Grundsatzes der Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gewährleistet. Die von den einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten bei der Erstattung des Guthabens dürfen nicht so beschaffen sein, dass sie diesen Grundsatz beeinträchtigen, in dem sie den Unternehmer ganz oder teilweise mit der Mehrwertsteuer belasten. Deshalb müssen diese "Einzelheiten" (die gesetzlichen Regelungen) dem Unternehmen erlauben, unter angemessenen Bedingungen den gesamten aus dem Mehrwertsteuerüberschuss resultierenden Forderungsbetrag zu erlangen. Das setze voraus, dass die Erstattung innerhalb einer angemessenen Frist durch eine Zahlung flüssiger Mittel oder auf gleichwertige Weise vorgenommen werde. Auf jeden Fall dürfe dem Unternehmen durch die gewählte Methode der Erstattung kein finanzielles Risiko entstehen.
Rz. 16
Bereits diese Entscheidung ...