Rz. 9

Im Wesentlichen betroffen von § 18j UStG sind die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe, die auch bisher schon als sog. Versandhandelsregelung ebenfalls unter § 3c UStG in der bis zum 30.6.2021 geltenden Fassung bekannt sind. Unverändert bleibt es beim Lieferort am Ende der Warenbewegung im Bestimmungsmitgliedstaat gem § 3c Abs. 1 UStG. Allerdings sind ab dem 1.7.2021 insbesondere andere Voraussetzungen bei der Ermittlung der Umsatzschwellen[1] gem. § 3c Abs. 4 UStG zu beachten und § 18j UStG eröffnet den betroffenen Unternehmern die Möglichkeit, sich nur noch in einem Mitgliedstaat erfassen lassen zu müssen, was eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung darstellen sollte. Nicht vereinfacht wird der Umstand, dass insbesondere bezüglich der Höhe der Steuersätze weiterhin das jeweilige Recht des Bestimmungsmitgliedstaats zu beachten ist.

 

Rz. 10

Hier liegt zunächst folgende Konstellation[2] zugrunde:

Ein Unternehmer (Ansässigkeit des Unternehmers ist irrelevant, er ist aber kein Schnittstellenbetreiber) befördert oder versendet direkt oder indirekt[3] einen Gegenstand von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat unmittelbar, also nicht über eine sog. Schnittstelle, an einen nicht als Unternehmer auftretenden Empfänger. Damit verlagert sich dessen Lieferort unter den weiteren Voraussetzungen des § 3c UStG an den Ort am Ende der Warenbewegung. Der Umsatz ist dann dort i. d. R. steuerbar und steuerpflichtig.[4] Unter der Voraussetzung, dass der Lieferer Steuerschuldner bleibt, kann er jetzt sämtliche in den Mitgliedstaaten steuerpflichtige Lieferungen dem besonderen Besteuerungsverfahren des § 18j UStG unterwerfen und diese Lieferungen zentral an nur einem Ort (OSS) anmelden.

Das gleiche Ergebnis ergibt sich unter den weiteren Voraussetzungen des § 3c Abs. 1 und 4 UStG, wenn ein im Inland ansässiger Unternehmer über eine Schnittstelle Ware "B2C" in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet. Voraussetzung ist, dass die Schnittstelle tatsächlich nicht Empfänger einer Lieferung des Unternehmers wird, sondern tatsächlich nur "eingeschaltet" wird. Dann wird – anders als bei Ansässigkeit des Unternehmers im Drittlandsgebiet kein Reihengeschäft fingiert (vgl. dazu Rz. 14). Vielmehr verbleibt es bei einer direkten Lieferung des Unternehmers an den Endkunden. Dies macht das nachfolgende Beispiel 3 aus Abschn. 3.18 Abs. 2 UStAE deutlich:

 
Praxis-Beispiel

Ein im Inland ansässiger Händler H veräußert über eine elektronische Schnittstelle Handyzubehör an eine Privatperson in Frankreich. Die Ware wird aus einem Lager im Inland an den Wohnsitz der Privatperson in Frankreich versendet. H überschreitet die Umsatzschwelle von 10.000 EUR (§ 3c Abs. 4 S. 1 UStG) bzw. verzichtet auf die Anwendung des § 3c Abs. 4 S. 1 UStG (§ 3c Abs. 4 S. 2 UStG). Nach § 3 Abs. 3a S. 1 UStG wird keine Lieferung zwischen dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle und der Privatperson fingiert, da H im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist. 5 § 3 Abs. 3a S. 2 UStG findet keine Anwendung, da die Ware nicht aus dem Drittlandsgebiet eingeführt wurde. Für die Lieferung des H an die Privatperson findet § 3c Abs. 1 UStG Anwendung. Der Ort der Lieferung ist der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Versendung an die Privatperson befindet (hier: Frankreich). H kann das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG in Anspruch nehmen und den Umsatz darüber erklären. Andernfalls hat H den Umsatz im Bestimmungsland (hier: Frankreich) im allgemeinen Besteuerungsverfahren (Art. 250 bis 261 MwStSystRL) zu erklären.

Dabei spielt die Ansässigkeit des Leistungsempfängers keine Rolle. Maßgebend ist alleine die Warenbewegung vom Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet wie Beispiel 4 in Abschn. 3.18 Abs. 2 UStG deutlich macht:

 
Praxis-Beispiel

Ein im Inland ansässiger Händler H veräußert über eine elektronische Schnittstelle Handyzubehör an eine im Inland ansässige Privatperson. Die Ware wird aus einem Fulfillment-Center in Polen an den Wohnsitz der Privatperson versendet. H überschreitet die Umsatzschwelle von 10.000 EUR (§ 3c Abs. 4 S 1 UStG) bzw. verzichtet auf die Anwendung des § 3c Abs. 4 S. 1 UStG (§ 3c Abs. 4 S. 2 UStG) und nimmt an dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG teil. Nach § 3 Abs. 3a S. 1 UStG wird keine Lieferung zwischen dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle und der Privatperson fingiert, da H im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist. § 3 Abs. 3a S. 2 UStG findet keine Anwendung, da die Ware nicht aus dem Drittlandsgebiet eingeführt wird. Für die Lieferung des H an die Privatperson findet § 3c Abs. 1 UStG Anwendung. Der Ort der Lieferung ist der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Versendung an die Privatperson befindet (hier: Inland). Der Händler hat die Umsätze über das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18j UStG zu erklären.

 

Rz. 11

Zudem kann folgende Konstellation zu einem innergemeinschaftlichen Fernverkauf führen:

Ein Schnittstellenbetreiber[5] wird in eine Lieferung eingebunden, die in einem M...

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