Rz. 1
Die Vorschriften der §§ 1a und 1b UStG wurden durch Gesetz v. 25.8.1992 mWv 1.1.1993, die Vorschrift des § 1c UStG durch Gesetz v. 21.12.1993 mWv 1.1.1994 eingefügt; sie regeln die Tatbestandsvoraussetzungen des innergemeinschaftlichen Erwerbs. § 1a UStG trifft die allgemeinen Bestimmungen für den innergemeinschaftlichen Erwerb; Sonderregelungen enthalten § 1b UStG (über den innergemeinschaftlichen Erwerb von Neufahrzeugen), § 1c UStG (über den innergemeinschaftlichen Erwerb durch bestimmte Einrichtungen) und § 6b UStG (Konsignationslager).
Rz. 2
Der neue Umsatzsteuertatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs ist ab 1993 für Lieferungen aus einem anderen Mitgliedstaat an die Stelle der bisher hierfür geltenden Besteuerung der Einfuhr durch die EUSt getreten. Der Begriff Einfuhr bezieht sich seitdem nur noch auf Einfuhren aus dem Drittlandsgebiet in das Inland.
Rz. 3
Der Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs ist ebenso wie der der EUSt Ausdruck des Bestimmungslandprinzips. Die USt wird international nach dem Bestimmungslandprinzip erhoben, d. h. eine Ware wird grundsätzlich nur mit der USt des Bestimmungslands belastet, also des Lands, in das die Ware eingeführt wird und in dessen Wirtschaftskreislauf sie eintritt. Um dieses Ergebnis zu erzielen, wird der Gegenstand bei der Ausfuhr von sämtlicher USt, die auf ihm im Ausfuhrland ruht, entlastet und bei der Einfuhr mit dem Umsatzsteuersatz belastet, der im Bestimmungsland für einen gleichartigen Umsatz erhoben wird. Durch diese umsatzsteuerliche Ent- und Belastung wird erreicht, dass eine Ware ohne Rücksicht auf ihre Herkunft allein mit der jeweiligen inländischen USt belastet ist; durch Anwendung des Bestimmungslandprinzips werden umsatzsteuerliche Wettbewerbsnachteile und Diskriminierungen im grenzüberschreitenden Warenverkehr vermieden. Dieses Ziel verfolgen die im GATT-Abkommen (Art. III) und im AEU (Art. 110 AEU) verankerten Diskriminierungsverbote, die eine Benachteiligung ausländischer Waren gegenüber inländischen Waren aufgrund des umsatzsteuerlichen Grenzausgleichs untersagen.
Rz. 4
Seit Inkrafttreten des Binnenmarkts zum 1.1.1993 sind die Steuergrenzen in der Union ebenso wie die zollamtlichen Kontrollen der innergemeinschaftlichen Grenzen weggefallen. Die Bundeszollverwaltung wirkt nicht mehr im Rahmen des umsatzsteuerlichen Ausgleichs an den innergemeinschaftlichen Grenzen mit. Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr bescheinigen daher die Zollstellen nicht mehr das Verbringen von Gegenständen über innergemeinschaftliche Grenzen und sind auch nicht für die Erhebung des innergemeinschaftlichen Erwerbs zuständig, wohl aber weiterhin für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer.
Rz. 5
Dem innergemeinschaftlichen Erwerb unterliegen nur innergemeinschaftliche Lieferungen. Anders als bei der EUSt, der jeder Gegenstand aufgrund seiner Einfuhr unterliegt, erfasst der innergemeinschaftliche Erwerb nur Gegenstände, die im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung in das Inland gelangen. Die Tatbestandsvoraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung sind in § 6a UStG enthalten. Die enge Verzahnung der beiden Vorschriften §§ 1a und 6a wird in § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG deutlich, der als eine der Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung wiederum auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verweist. Da eine innergemeinschaftliche Lieferung mit einem innergemeinschaftlichen Erwerb einhergehen muss, sind daher diese beiden Bestimmungen so auszulegen, dass sie dieselbe Bedeutung und Tragweite haben. Diese Gesetzestechnik wird von der Absicht bestimmt, das Steueraufkommen dadurch zu sichern, dass die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung nur gewährt wird, wenn die Gegenstände im anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung unterliegen.
Rz. 6
Mit der Einordnung als Umsatz und Lieferung unterliegt der innergemeinschaftliche Erwerb den allgemeinen Regeln des UStG (Steuersatz, Bemessungsgrundlage), soweit nicht Sondervorschriften gelten, z. B. Verbringen in ein Konsignationslager (§ 6b), Ort des Erwerbs (§ 3b UStG; Rz. 65a ff.), Steuerbefreiungen, Steuerverfahren. Die vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer können die Erwerbsteuer – ebenso wie die EUSt – als Vorsteuer abziehen. Dadurch wird der Unternehmer mit der Erwerbsteuer letztendlich nicht belastet. Die Bemessungsgrundlage bestimmt sich nach § 10 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1 UStG. Für die Erwerbsteuer gelten auch die ermäßigten Steuersätze. Die Erwerbsteuer entsteht mit Ausstellung der Rechnung, spätestens mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Kalendermonats. Steuerschuldner ist der Erwerber.
Rz. 7
Sonderregelungen enthalten für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Neufahrzeugen § 1b UStG, für den innergemeinschaftlichen Erwerb durch diplomatische Missionen, zwischenstaatliche Einrichtungen und Streitkräfte der Vertragspartner der NATO § 1c Abs. 1 UStG, für das Verbringen unversteuerter G...