Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Rz. 88c
Aufgrund des zum 1.1.2023 erwarteten, dann aber nochmals um zwei Jahre verschobenen (spätesten) Übergangs der juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) aus der bisherigen Regelung zur Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs. 3 UStG zu der neuen, unionsrechtsorientierten Regelung des § 2b UStG war im Rahmen des JStG 2022
jPöR die Möglichkeit eingeräumt worden, unabhängig des Gesamtumsatzes sich die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestatten zu lassen, § 20 S. 1 Nr. 4 UStG. Die Regelung ist ab dem 1.1.2023 anzuwenden. Voraussetzung dafür ist, dass die jPöR nicht freiwillig Bücher führt und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse macht oder gesetzlich dazu verpflichtet ist. Hat die jPöR einen Gesamtumsatz von nicht mehr als 800.000 EUR im vorangegangenen Kj. erzielt, kann sie sich die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten nach § 20 S. 1 Nr. 1 UStG gestatten lassen – in diesem Fall ist die Form der Gewinnermittlung unerheblich. Soweit sie diese Grenze überschreiten sollte – dies ist aufgrund der Einheitlichkeit des Unternehmens bei jPöR überwiegend anzunehmen – würde ohne diese seit dem 1.1.2023 geltende Sonderregelung eine Besteuerung nach vereinbarten Entgelten zwangsläufig sein. Da aufgrund der spätestens zum 1.1.2025 anzuwendenden Grundsätze über die Unternehmereigenschaft nach § 2b UStG mit einer deutlichen Zunahme der Erfassung der jPöR für umsatzsteuerrechtliche Zwecke auszugehen ist, hätte sich häufig die Notwendigkeit der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten ergeben. Da diese Unternehmer aufgrund ihrer Struktur aber häufig eine auf kamerale, auf dem Zufluss- und Abflussprinzip beruhende Buchführung unterhalten, würde die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten zu einer notwendigen Aufzeichnung der Forderungen führen. Insoweit greifen vergleichbare Überlegungen, wie sie zur Anwendung der Ist-Besteuerung bei freiberuflich Tätigen nach § 20 S. 1 Nr. 3 UStG gelten.
Rz. 88d
Die Regelung des § 20 S. 1 Nr. 4 UStG setzt voraus, dass es sich um eine jPöR handelt, vgl. dazu § 2b UStG Rz. 23 ff. Grundsätzlich muss dabei auch die Einheitlichkeit des Unternehmens nach § 2 Abs. 1 S. 2 UStG beachtet werden, sodass sich die Begünstigung auf alle Teile des einheitlichen Unternehmens bezieht, wenn der Unternehmer jPöR ist, vgl. dazu aber auch Rz. 88e. Weitere Voraussetzung ist, dass sie nicht nach gesetzlichen Vorschriften verpflichtet ist, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen. Dies gilt entsprechend, wenn die jPöR freiwillig Bücher führt und regelmäßig Abschlüsse erstellt. Aufgrund der hier klaren gesetzlichen Vorgaben ergibt sich der Ausschluss der Möglichkeit, sich die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gestatten zu lassen, nicht schon alleine deshalb, dass die Forderungen buchhalterisch erfasst werden. Damit die Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten nicht in Betracht kommt, muss auch regelmäßig ein Abschluss aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen vorgenommen werden. Damit kann die Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten für die jPöR nicht erfolgen, wenn ein Abschluss nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG erstellt wird.
Rz. 88e
Keine ausdrückliche Regelung ist gesetzlich für die Fälle getroffen, in denen der Unternehmer zwar als jPöR die Eingangsvoraussetzung für § 20 S. 1 Nr. 4 UStG erfüllt, innerhalb des nach § 2 Abs. 1 S. 2 UStG einheitlichen Unternehmens aber in Teilbereichen (Teilbetrieben) regelmäßig jährliche Abschlüsse erstellt werden, in anderen Teilbereichen aber weder freiwillig noch nach gesetzlichen Vorschriften regelmäßig jährliche Abschlüsse erstellt werden. Eine dem § 20 S. 2 UStG entsprechende ausdrückliche Regelung, die Gestattung der Ist-Besteuerung dann auf die Teile des Unternehmens zu beziehen, die die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen, fehlt. Aus der Formulierung in § 20 S. 1 Nr. 4 UStG, dass die Gestattung "insoweit" erfolgen kann, wie die jPöR nicht freiwillig Bücher führt und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse macht oder hierzu gesetzlich verpflichtet ist, ist aber ableitbar, dass sich die Gestattung nur auf den jeweiligen Teilbetrieb beziehen kann, der diese Voraussetzung erfüllt. Dies ist auch systematisch sinnvoll, da dem Regelungszweck folgend in dem Bereich, in dem regelmäßig Abschlüsse erstellt werden, die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nach vereinbarten Entgelten keine Schwierigkeiten bereiten sollte.