Rz. 38

Die objektive Tathandlung der Ordnungswidrigkeit des § 26a Abs. 1 UStG wird dadurch beschrieben, dass derjenige, der entgegen der Entrichtungsgebote des § 18 Abs. 1 S. 4, Abs. 4 S. 1 oder 2, Abs. 4c S. 2, Abs. 4e S. 4 oder Abs. 5a S. 4, § 18i Abs. 3 S. 3, § 18j Abs. 4 S. 3 oder § 18k Abs. 4 S. 3 UStG eine Vorauszahlung, einen Unterschiedsbetrag oder eine festgesetzte Steuer nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig entrichtet, ordnungswidrig handelt. Der gravierendste Unterschied dieses Tatbestandes zur Vorgängerregelung in § 26b UStG besteht nun darin, dass es nicht mehr der in einer Rechnung ausgewiesenen USt, die bei ihrer Fälligkeit nicht oder teilweise nicht bezahlt wird, bedarf.[1]

 

Rz. 39

Zur Verwirklichung des Tatbestandes reicht es nunmehr aus, dass angemeldete Umsatzsteuer bei ihrer Fälligkeit nicht bezahlt wird; das sind mithin zwei Tatbestandsmerkmale, die Umsatzsteuer muss erstens angemeldet und dann zweitens bei ihrer Fälligkeit entgegen der o. g. Entrichtungsgebote nicht bezahlt werden. Hinzuweisen ist zunächst darauf, dass diese Entrichtungsgebote auch erst mit dem Jahressteuergesetz 2020[2] in das UStG eingeführt worden sind, vorher existierten diese Regelungen nicht. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass aus diesen wenigen Tatbestandsmerkmalen unschwer erkennbar ist, dass der Anwendungsbereich dieses Ordnungswidrigkeitentatbestandes zunächst einmal dem Grunde nach sehr weit ist; die Regelung des UStG enthält keinerlei Begrenzung hinsichtlich des Zeitraums und der Höhe der ausstehenden Zahlung (Rz. 46). Es ist für die Erfüllung des Bußgeldtatbestands auch nicht erforderlich, dass es sich um ein wiederholtes oder fortgesetztes Tätigwerden handelt, sodass grundsätzlich auch bereits der erstmalige Verstoß geahndet werden kann.[3] Das ist natürlich deshalb wichtig, weil nur so auch einmalige Handlungen von missing tradern geahndet werden können. Andererseits führt das aber zu dem genannten weiten Anwendungsbereich der Regelung, der ausweislich der Gesetzesbegründung nur durch die Anwendung des Opportunitätsgrundsatzes des OWiG (Rz. 41 und Rz. 77f.) beschränkt wird.[4] Wird also z. B. nur 1 EUR einen Tag nach Ablauf der Fälligkeit nicht gezahlt, dann ist der Tatbestand dem Grunde verwirklicht; hier stellen sich in der Tat verfassungsrechtliche Fragen, wie etwa die nach der Verhältnismäßigkeit einer solchen Regelung (Rz. 46). Fraglich ist vor allem auch, wer all dies überprüfen und ahnden soll, in Anbetracht dessen, dass es sich gerade beim Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren um ein weitgehend automatisiert stattfindende Massenverfahren handelt, bei dem jeden Monat deutschlandweit viele Millionen Anmeldungen zu verarbeiten sind. Da die Neuregelung des § 26a Abs. UStG nicht erkennbar mit Stellenmehrungen bei den Finanzbehörden verbunden war, wäre alles mit dem vorhandenen Personal zu bewältigen.[5]

 

Rz. 40

Mit dem Jahressteuergesetz 2020 sind neben sehr vielen anderen umsatzsteuerrechtlichen Änderungen in das UStG auch erstmals sog. "Entrichtungsgebote" für die angemeldete und fällige Umsatzsteuer eingeführt worden. So lautet § 18 Abs. 1 S. 4 UStG seit dem 1.7.2021: Die Vorauszahlung ist am zehnten Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig und bis dahin vom Unternehmer zu entrichten. Neben der bereits bestehenden Regelung zur Fälligkeit einer Umsatzsteuer-Vorauszahlung wird nunmehr auch ausdrücklich die Verpflichtung zur Zahlung der geschuldeten Umsatzsteuer gesetzlich angeordnet. Der Verstoß gegen die aufgrund dieser Gebote bestehende Zahlungspflicht ist nun zugleich zum Tatbestandsmerkmal des § 26a Abs. 1 UStG geworden, in dem das Gesetz formuliert, dass derjenige der entgegen der Entrichtungsgebote der § 18 Abs. 1 S. 4, Abs. 4 S. 1 oder 2, Abs. 4c S. 2, Abs. 4e S. 4 oder Abs. 5a S. 4 UStG sowie der neu zum 1.7.2021 eingeführten § 18i Abs. 3 S. 3, § 18j Abs. 4 S. 3 oder § 18k Abs. 4 S. 3 UStG ordnungswidrig handelt. Nach der Gesetzesbegründung im JStG 2020 zu den damit eingeführten Entrichtungsgeboten wurde diese in das Gesetz aufgenommen, um dem Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG), nach dem für die Sanktionierung einer Zahlungsverpflichtung ein verwaltungsrechtliches Gebot Voraussetzung ist, zu entsprechen. Durch den Zusatz, dass die fällige Umsatzsteuer vom Unternehmer zu entrichten ist, sollte zugleich eine sprachliche Anpassung an Artikel 206 der Richtlinie 2006/112/EG erfolgen.[6]

In der Praxis wird sich durch die Entrichtungsgebote aber nur wenig an der Rechtsanwendung des § 26a Abs. 1 UStG ändern, denn die fehlende Zahlung einer fälligen Umsatzsteuer wird meistens unstreitig sein. Der (sehr weite) Tatbestand (Rz. 38) wird dadurch vor allem nicht begrenzt.

 

Rz. 41

In der Gesetzesbegründung des § 26a Abs. 1 UStG finden sich zur Eingrenzung des weiten Tatbestands der Regelung die Ausführungen, dass dann, wenn die unterlassene Entrichtung der Umsatzsteuer entschuldbar ist, die Finanzbehörde auf eine Ahndung verzichten kann. Bei der Verfolgung der Ordnungswidrigkei...

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