Rz. 24
Bezogen auf den § 26c UStG muss die Absicht des Unternehmers als Täter darauf gerichtet sein, objektiv den Tatbestand des § 26a Abs. 1 UStG wiederholt zu begehen und hierdurch Steuerersparnisse zu erlangen, die nicht von völlig untergeordneter Bedeutung sind.. Anders ausgedrückt muss es der Täter also darauf abgesehen haben, wiederholt von ihm in Rechnungen ausgewiesene USt nach deren Anmeldung (Erklärung) bei der Finanzbehörde in der Absicht nicht zu zahlen, dadurch Steuern "zu sparen". Schon diese Definition zeigt allerdings, dass davon nicht nur die Straftäter in Umsatzsteuerkarussellen erfasst werden, sondern u. U. auch andere säumige Steuerzahler, wie derjenige Unternehmer, der seine Umsatzsteuer-Voranmeldungen zwar pünktlich einreicht, die daraus geschuldete Umsatzsteuer dann aber nicht bezahlen kann.
Rz. 25
Zu beachten ist des Weiteren, dass mit dieser Definition, abweichend von der genannten allgemeinen Begrifflichkeit der Gewerbsmäßigkeit (Rz. 20f.), auch in der Ersparnis von Steuern eine Einnahmequelle zu sehen ist. Da die Tathandlung der §§ 26a Abs. 1, 26c UStG in der Nichtzahlung einer geschuldeten Steuer besteht, können hier nie Steuergelder als "Einnahme" zufließen, es werden immer nur Steuerzahlungen – mithin Aufwendungen – eingespart. Die Rechtsprechung zum allgemeinen Strafrecht sieht aber auch in der Ersparnis notwendiger Auslagen einen strafrechtlich relevanten Vermögensvorteil, sodass auch diese Tathandlung eine Einnahmequelle i. S. d. oben genannten Definition darstellt. Abweichend davon will Nöhren im Hinblick auf den Zufluss auf die vermeintlich unberechtigte Vorsteuererstattung des Rechnungsempfängers abstellen. Dieser Zusammenhang mag zwar im Einzelfall bestehen, er ist aber immer erst einmal zu beweisen und würde im Übrigen wohl nur bei Bösgläubigkeit des Leistungsempfängers für den Leistenden zu einer Strafbarkeit nach § 26c UStG führen, selbst wenn eine Vielzahl von Leistungen ausgeführt wurde. Da diese Schlussfolgerung, vor allem in Anbetracht der (strengen) Rechtsprechung des EuGH zu den steuerlichen Folgen der Einschaltung eines missing traders, für den Leistungsempfänger so wohl nur bei konkreten Feststellungen zur Bösgläubigkeit gezogen werden kann, ist der oben aufgezeigte Lösungsweg vorzuziehen; abzustellen ist mithin auf die Absicht des Leistenden, Steuern zu "sparen".
Für diese Sichtweise spricht auch, dass die vom Leistenden geschuldete Umsatzsteuer und die vom Leistungsempfänger geltend gemachte Vorsteuer im Umsatzsteuerrecht immer getrennt voneinander zu betrachten sind; sie unterliegen auch unterschiedlichen Rechtsgrundlagen.
Rz. 26
Auf den Umfang der Verkürzung kommt es bei § 26c UStG über die genannte Anforderung "der nicht völlig untergeordneten Bedeutung" (Rz. 20) – im Unterschied zu § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO – nicht an; das schwierig eingrenzbare Tatbestandsmerkmal der Steuerhinterziehung im "großen Ausmaß" war lediglich Inhalt des schon lange wieder aufgehobenen § 370a AO und findet sich nun nur noch beim besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung in § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO. Insoweit greift der Tatbestand des § 26c UStG vom Wortlaut her bei (fast) jedem Betrag.
Rz. 27
Bei § 26c UStG kann nach den geschilderten Voraussetzungen auch schon mit der ersten Nichtzahlung einer nicht ganz unbedeutenden Steuerschuld die Gewerbsmäßigkeit vorliegen (Rz. 21 m. w. N.), sofern bereits zu diesem Zeitpunkt die Absicht des Täters besteht, sich eine Einnahmequelle von einiger Dauer zu verschaffen; was in der Praxis allerdings erst einmal zu beweisen ist. Allerdings kann der Eintritt dieser Rechtsfolge durchaus verfehlt sein, denn schon der Grundtatbestand des § 26c UStG – der § 26a Abs. 1 UStG – erfasst z. T. Sachverhalte, deren Kriminalisierung nicht der Zweck der Schaffung der Vorschriften war. In der Literatur wird deshalb mit durchaus guten Gründen vertreten, dass § 26c UStG bei der gewerbsmäßigen Begehung auf solche Fälle zu beschränken ist, in denen der Kern des Vorwurfs darin liegt, dass der Täter gezielt das Mehrwertsteuersystem zur Liquiditätsschöpfung ausnützt.
Diese Sichtweise geht m. E. aber zu weit, vor allem weil sie den Anwendungsbereich des § 26c UStG faktisch fast vollständig aushebelt, denn eine gezielte Ausnützung des Mehrwertsteuersystems zur Liquiditätsschöpfung wird nur in Ausnahmefällen vorliegen und vor allem nachweisbar sein. Der Gesetzgeber wollte mit § 26c UStG aber eine Gesetzeslücke schließen (Rz. 3) und keinen Ausnahmetatbestand schaffen. Von einer Gewerbsmäßigkeit ist im Rahmen des § 26c UStG m. E. deshalb jedenfalls dann auszugehen, wenn ein Täter Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis in der Absicht erstellt, die dadurch fällig werdende Umsatzsteuer nicht oder nicht vollständig zu entrichten, um sich auf Dauer Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.
Dieser Sachverhalt dürfte den eigentlichen Anwendungsbereich des § 26c UStG darstellen, auch weil in derartigen Fällen früher tatsächlich in bestimmten Fällen eine Gesetz...