Rz. 4
Liegt ein Gutschein nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 13 UStG vor, ist die Abgrenzung zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen relevant. Danach bestimmt sich, ob die mit dem Gutschein verkörperte Lieferung oder sonstige Leistung entweder auf den Zeitpunkt der Übertragung vorverlagert wird (Einzweck-Gutschein) oder erst bei tatsächlicher Leistung erfolgt (Mehrzweck-Gutschein). Jeder Gutschein nach § 3 Abs. 13 UStG ist entweder ein Einzweck- oder ein Mehrzweck-Gutschein.
Rz. 5
Die umsatzsteuerlichen Rechtsfolgen des Einzelgutscheins, die sich sowohl auf Lieferungen als auch auf sonstige Leistungen beziehen, sind in § 3 Abs. 14 S. 2 bis 5 UStG enthalten. Dabei enthalten die Sätze 2 bis 4 jeweils Fiktionen der Leistungserbringung in einem vor der tatsächlichen Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung liegenden Zeitpunkt. Zur Vermeidung einer mehrfachen Besteuerung enthält § 3 Abs. 14 S. 5 UStG die systematisch erforderliche Regelung, dass in den Fällen der vorverlagerten Umsatzbesteuerung durch Einzweck-Gutscheine in den Fällen der Sätze 2 bis 4 kein unabhängiger Umsatz bei der tatsächlichen Erbringung der Leistung vorliegt.
Rz. 6
Anders als bei Mehrzweck-Gutscheinen werden für Einzweck-Gutscheine die Zeitpunkte der Entstehung der Umsatzsteuer der durch den Gutschein verkörperten Lieferung oder sonstigen Leistung zeitlich vorverlagert. Sind die Voraussetzungen von § 3 Abs. 14 S. 2 bis 4 UStG erfüllt, fingiert die Vorschrift ("gilt") die Lieferung oder sonstige Leistung als bereits bei der Übertragung des Gutscheins durch den Unternehmer an den Empfänger erfolgt.
2.1 Fiktion der vorverlagerten Leistung
Rz. 7
Bei der Vorverlagerung des Leistungszeitpunkts unterscheidet das Gesetz drei unterschiedliche Sachverhalte. Dabei ist entscheidend, ob der den Gutschein ausstellende Unternehmer die darin verbriefte Leistung selbst an den Empfänger erbringt (S. 2) oder durch einen anderen Unternehmer erbringen lässt (Sätze 3 und 4). Im letzten Fall ist weiter zwischen den Fällen zu unterscheiden, bei denen der Aussteller des Gutscheins offen im Namen des leistenden Unternehmers (S. 3) oder verdeckt für einen anderen Unternehmer auftritt und im eigenen Namen handelt (S. 4).
2.1.1 Übertragung durch einen Unternehmer im eigenen Namen (S. 2)
Rz. 8
Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins nach § 3 Abs. 14 S. 2 UStG als die Lieferung des Gegenstands oder als die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht.
Rz. 9
Die Übertragung des Einzweck-Gutscheins setzt damit einen Unternehmer nach § 2 UStG als Übertragenden voraus, was nicht nur regelbesteuerte Vollunternehmer erfasst, sondern z. B. auch unter § 19 UStG fallende Kleinunternehmer. Da der Einzweck-Gutschein nach § 3 Abs. 14 S. 1 UStG jedoch u. a. eine durch die mit ihm verkörperte Leistung ausgelöste und bereits feststehende Umsatzsteuer voraussetzt (s. Rz. 32ff.), kommen Einzweck-Gutscheine nur dann infrage, wenn die verkörperte Lieferung oder sonstige Leistung zur Entstehung von Umsatzsteuer führt. Deshalb wird die Regelung für unter § 19 UStG fallende Unternehmer kaum Bedeutung haben, könnte aber z. B. Fälle des § 14c UStG erfassen.
Rz. 10
Ausländische Unternehmer erbringen mit der Übertragung eines Einzweck-Gutscheins, der sich auf die Lieferung des im Gutschein genannten Gegenstandes im Inland bezieht, eine im Inland steuerbare und grds. steuerpflichtige Lieferung von Gegenständen, für die sie regelmäßig Steuerschuldner sind. Dadurch können sich Registrierungspflichten im Inland bereits durch die Übertragung der Gutscheine ergeben.
Rz. 11
Anders als der Übertragende des Gutscheins kommt als Empfänger des Gutscheins jede Person in Betracht. Insbesondere können sowohl Verbraucher als auch Unternehmer Empfänger sein.
Rz. 12
Unter dem gesetzlich nicht geregelten Begriff "Übertragung" ist nach der hier vertretenen Ansicht die Verschaffung der Verfügungsmacht an dem Gutschein i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG zu verstehen, sofern es sich um einen gegenständlichen Gutschein (s. § 3 Abs. 13 UStG Rz. 17) handelt. Liegt dagegen ein elektronischer Gutschein vor (s. § 3 Abs. 13 UStG Rz. 17), kommt es auf den Zugang im Machtbereich des Empfängers an, durch den die Verfügungsmacht i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG übertragen wird. Allgemein liegt die Übertragung in diesem Sinne vor, sobald der Empfänger in die Lage versetzt wurde, die mit dem Gutschein verkörperten Rechte (s. § 3 Abs. 13 UStG Rz. 18f.) geltend zu machen, womit regelmäßig ein zivilrechtlich durchsetzbarer Leistungsanspruch vorhanden sein wird (s. § 3 Abs. 13 UStG Rz. 19).
Rz. 13
Bei der Übertragung durch den Unternehmer "im eigenen Namen" ist der Unternehmer der Aussteller des Gutscheins und zugleich der Leistungserbringer des mit diesem verkörperten Rechts. Nach außen tritt er im eigenen Namen auf. Ein weiterer Unternehmer (Dritter) ist in die Leistungserbringung weder offen (s. Rz. 15ff.) noch verdeckt (s. Rz. 20ff.) eingebunden. Zivilrechtlich liegt regelmäßig ein Schuldverhältnis zwischen dem Aussteller des Gutscheins und dessen Empf...