Rz. 4

Die Vorschrift von § 3 Abs. 5 UStG spielt vor allem in der Landwirtschaft und ihren angrenzenden Geschäftsfeldern eine Rolle. Insbesondere bei Landwirten kann je nach der Höhe des geltenden Steuersatzes eine Fallgestaltung nach § 3 Abs. 5 UStG für den Unternehmer teils günstiger, teils ungünstiger ausfallen als eine Fallgestaltung, die auf eine Lieferung des gesamten Gegenstands und eine Rücklieferung der Nebenerzeugnisse und Abfälle abzielt. Hierbei kann u. a. die Höhe des bei der Rücklieferung in Betracht kommenden Steuersatzes eine Rolle spielen.

 

Rz. 5

§ 3 Abs. 5 UStG setzt nach Ansicht des BFH voraus, dass sich der übergebene Gegenstand in qualitativ verschiedene Bestandteile (Stoffe) zerlegen lässt und dass dem Abnehmer nur der Gehalt des Hauptstoffs (z. B. Zuckergehalt, Milchfettgehalt), an dem er allein interessiert ist, geliefert werden soll, während der Nebenstoff (z. B. Rübenschnitzel, Magermilch) dem Lieferer, der hieran interessiert ist, zurückzugeben ist. Z. B. baut der Landwirt im typischen Fall des § 3 Abs. 5 UStG Rüben zu einem doppelten Zweck an:

  • Er erzeugt den Zuckergehalt zum Verkauf,
  • er braucht die nach dem Entzug des Zuckergehalts verbleibenden Rübenschnitzel zum Füttern seines Viehs.

Die Zuckerfabrik will nur den Zuckergehalt erwerben.[1]

 

Beispiele:

  • Ein Landwirt gibt einer Molkerei Vollmilch, will aber die Magermilch zurückhaben, weil er sie für Futterzwecke selbst benötigt.

    Obwohl das zivilrechtliche Eigentum an der Vollmilch auf die Molkerei übergeht, ist Gegenstand der umsatzsteuerlichen Lieferung nicht die Vollmilch, sondern nur ihr Fettgehalt, also das, was die Molkerei nach der Zerlegung der Vollmilch in ihre Bestandteile letztendlich behält. Die Magermilch, die sie dem Landwirt zurückgibt, scheidet aus dem umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch aus. Insoweit liegt weder eine Lieferung noch eine Rücklieferung, sondern eine bloße Rückgabe der Magermilch vor. Die Molkerei hat bezüglich der Magermilch von vornherein keine Verfügungsmacht erlangt, denn der Landwirt hatte sich deren Rückgabe ausbedungen.

    Eine Beschränkung der Lieferung auf den Fettgehalt der Vollmilch liegt auch dann vor, wenn die Vollmilch zwar nach ihrem Tagespreis, die Magermilch aber mit einem Zuschlag zum Tagespreis der Magermilch angesetzt wird, denn diese Verrechnungsart hat lediglich die Bedeutung einer Regulierung des Preises für den umgesetzten Fettgehalt der Milch.

  • Ein Landwirt übergibt einer Zuckerfabrik Zuckerrüben, behält sich aber für Futterzwecke die Rückgabe der Rübenschnitzel vor.

    Es gilt das zu Beispiel 1. Gesagte entsprechend. Die Lieferung des Landwirts an die Zuckerfabrik beschränkt sich auf den Zuckergehalt der Rüben.[2]

  • Das Gleiche gilt bei der Hingabe von Kartoffeln gegen Rückgabe von Kartoffelflocken.
  • Behält sich eine Eisenbahnverwaltung in Verträgen über die Verschrottung von ausgedienten Waggons die Rückgabe gewisser Waggonteile (z. B. Radsätze, Edelmetalle, Holz) vor, liegt wirtschaftlich gesehen eine Lieferung des Schrottgehalts der Waggons vor, soweit er für die Bahn nicht mehr verwendbar ist. Das gilt auch dann, wenn dem Verschrottungsunternehmer zunächst das volle Gewicht der Waggons zu einem festgesetzten Preis in Rechnung und das Gewicht der zurückgegebenen Materialien zu einem anderen Preis in Rechnung gestellt wird.[3]
  • Auch Kartoffellieferungen können als Gehaltslieferung i. S. d. § 3 Abs. 5 UStG geregelt werden, nämlich so, dass Gegenstand der Lieferung der Stärkegehalt der Kartoffeln ist und die Bearbeitungs- oder Verarbeitungsabfälle, die sog. Schlempe, zurückzugeben ist. Der BFH hat hierzu klargestellt, dass § 3 Abs. 5 UStG keine Regelung bezüglich der Bemessungsgrundlage ist und dass auch die Bemessungsgrundlage für Gehaltslieferungen nach den allgemeinen Grundsätzen des § 10 Abs. 1 UStG zu bestimmen ist.[4]
 

Rz. 6

Gleichwohl setzt eine Gehaltslieferung nach der Rechtsprechung des BFH keine "Nämlichkeit" im Sinne bloßer Trennbarkeit der Inhaltsstoffe voraus, wie etwa bei der Zuckergewinnung aus Zuckerrüben (vgl. Beispiel in Rz. 5). So kann etwa auch Biogas, das aus Pflanzensubstraten gewonnen wird, Gegenstand einer Gehaltslieferung sein. Insofern kommt es nicht darauf an, dass zerlegbare Stoffe von Anfang an vorhanden sind; es genügt, wenn der Gehalt aus dem übergebenen Stoff abgeleitet werden kann.[5]

 

Rz. 7

Über die in Rz. 5 enthaltenen Beispiele hinaus hat die Vorschrift inzwischen besondere Bedeutung bei der Lieferung von Biomasse zum Zweck der von vornherein vereinbarten Rückgabe der Biomassereste nach Gewinnung von Biogasen erlangt. In diesem Fall liegt eine Gehaltslieferung nach § 3 Abs. 5 UStG vor, wenn der Vorgang aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers als eine durch Ver- oder Bearbeitung durch den Leistungsempfänger bewirkte Trennung des übergebenen Gegenstands in dessen verschiedene Bestandteile und die anschließende Rückgabe des nicht beim Leistungsempfänger verbleibenden Restes aus dem hingegebenen Gegenstand an den Lieferer verstehen lässt.[6]

 

Rz. 8

Die Finanz...

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