Rz. 90
Die auf einen ersten Blick als Generalklausel erscheinende Ortsregelung des § 3a Abs. 1 UStG war bereits in der bis zum 31.12.2009 geltenden Fassung tatsächlich ein Auffangtatbestand für eine Vielzahl von – überwiegend von der Gerichtsbarkeit entschiedenen – Einzelfällen, die nicht unter die damaligen speziellen Regelungen des Leistungsorts in § 3a Abs. 2 bis 4 UStG bzw. §§ 3b und 3f UStG fielen. Auch die aktuelle Bestimmung hat, insbesondere wegen der in § 3a Abs. 3 und Abs. 5 UStG geregelten Ausnahmen, bei weitem nicht so viele Anwendungsfälle, wie es die als Generalklausel gefasste Formulierung vermuten lässt.
Rz. 91
Dabei war bei der alten Regelung des § 3a UStG die Bestimmung des Inhalts der konkreten Leistung und deren mögliche Zuordnung zu den Tatbeständen des damaligen Absatzes 2 oder 4 des § 3a UStG entscheidend; nur wenn eine solche Zuordnung nicht möglich war, bestimmte sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 1 UStG. Auf die dadurch zwangsläufig entstandenen (vielfältigen) Abgrenzungsfragen kommt es nach der Neufassung seit dem 1.1.2010 deutlich weniger an, weil nunmehr als wichtigstes Kriterium der Leistungsortsbestimmung – sofern nicht einer der Sonderfälle des § 3a Abs. 3 oder 5 UStG vorliegt – darauf abzustellen ist, ob der Leistungsempfänger der sonstigen Leistung Unternehmer ist oder nicht.
Rz. 92
Allgemein ist zunächst zu beachten, dass die Bestimmung des Leistungsorts bei der Erbringung von sonstigen Leistungen an Nichtunternehmer mit Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet i. d. R. nach § 3a Abs. 4 UStG zu erfolgen hat, der Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 UStG ist also i. d. R. auf (nichtunternehmerische) Abnehmer im Unionsgebiet beschränkt.
Rz. 93
Die für die Praxis wichtigen Anwendungsfälle zu § 3a Abs. 1 UStG werden bereits im UStAE genannt, die Verwaltungsanweisung bezieht sich hier im Wesentlichen auf die durch die Rechtsprechung entschiedenen Fälle, welche auch in der Neufassung noch relevant sind. Unter der Voraussetzung der Leistung an einen Nichtunternehmer (Verbraucher) – mithin nur bei B2C-Leistungen – kommt eine Bestimmung des Leistungsorts demnach in Betracht bei:
- Reiseleistungen (§ 25 Abs. 1 S. 4 UStG)
- Reisebetreuungsleistungen von angestellten Reiseleitern
- Leistungen der Testamentsvollstrecker
- Leistungen der Notare, soweit sie nicht Grundstücksgeschäfte beurkunden oder nicht selbstständige Beratungsleistungen an im Drittlandsgebiet ansässige Leistungsempfänger erbringen
- die in § 3a Abs. 4 UStG bezeichneten sonstigen Leistungen, wenn der Leistungsempfänger im Unionsgebiet (innerhalb der EU) ansässig ist
- sonstigen Leistungen im Rahmen einer Bestattung, soweit diese Leistungen als einheitliche Leistungen anzusehen sind
- Tierarztleistungen
- Textübersetzungen, soweit die Leistung nicht als Katalogleistung nach § 3 Abs. 4 Nr. 3 UStG zu versteuern ist.
Neu hinzugekommen als Anwendungsfall des § 3a Abs. 1 UStG ist der Fall, wenn wegen der Geltung der Sonderregelung des § 3a Abs. 5 S. 3 UStG (Schwellenwert) bei grenzüberschreitenden digitalen Dienstleistungen an Nichtunternehmer der S. 1 des § 3a Abs. 5 UStG nicht zur Anwendung kommt (Rz. 509ff.).
Für die hier früher im UStAE genannte langfristige Vermietung eines Beförderungsmittels gilt seit dem 1.1.2013 nach § 3a Abs. 3 Nr. 2 S. 3 UStG eine Sonderregelung (Rz. 200ff.), sodass sie nicht mehr in den Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 UStG fällt.
Rz. 94
Als weitere unter § 3a Abs. 1 UStG in Betracht kommende Leistungen können noch diejenigen bestimmter Vermögensverwalter und Treuhänder genannt werden. Zu nennen sind auch die Leistungen von bestimmten Schiedsrichtern und evtl. auch die Leistung an einen privaten Fluggast, einen gebuchten Platz in einem Flugzeug freizuhalten und auch im Fall der nicht in Anspruch genommenen Flugleistung die Fluggebühren zu beanspruchen. Auch bei mehrtägigen Hochseeangelfahrten für Freizeitangler bestimmt sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 1 UStG und nicht nach § 3b UStG, weil hierbei die Verschaffung der Möglichkeit zum Angeln im Vordergrund steht. Anzuführen bleibt, dass in Anbetracht der Vielfalt der möglichen Dienstleistungen weitere Einzelfälle bei der Anwendung des § 3a Abs. 1 UStG möglich sind, denn der Abs. 1 des § 3a UStG stellt letztlich den Auffangtatbestand der Ortsregelung bei diesen Leistungen dar. Insoweit bestimmt sich der Leistungsort auch bei der zum 1.1.2019 geltenden Sonderregelung für die Erbringung digitaler Dienstleistungen an Nichtunternehmer in § 3a Abs. 5 S. 3 bis 5 UStG nach § 3a Abs. 1 UStG. Der Leistungsort ist der Sitz des leistenden Unternehmers, sofern dessen Leistungen den Schwellenwert von 10.000 EUR nicht überschreiten (Rz. 509ff.).
Rz. 95
Im Ergebnis ist der Anwendungsbereich des § 3a Abs. 1 UStG jedenfalls eher gering. Zudem führt die Regelung des § 3a Abs. 5 S. 3 bis 5 UStG (Rz. 455ff.) dazu, dass der Leistungsort bei den ausgesprochen praxisrelevanten digitalen Dienstleistungen nach § 3a Abs. 1 UStG zu bestimmen ...