Rz. 42

Die bis zum 30.6.2021 in § 3c UStG enthaltene sog. Versandhandelsregelung (Rz. 5) ist mWv 1.7.2021 durch die Neuregelung des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs nach § 3c Abs. 1 UStG (Rz. 43ff.) sowie des Fernverkaufs aus dem Drittland nach § 3c Abs. 2 und Abs. 3 UStG ersetzt worden (Rz. 4a ff.). Neben der vollständigen inhaltlichen Neuregelung ist damit insgesamt eine Vereinheitlichung und Vereinfachung des Fernverkaufs innerhalb der EU erreicht worden.

3.1 Übersicht zum innergemeinschaftlichen Fernverkauf

 

Rz. 43

Liegen die Voraussetzungen von § 3c Abs. 1 UStG vor und greift auch keine Anwendungsausnahme nach § 3c Abs. 4 UStG (Umsatzschwelle bzw. Bagatellregelung) oder § 3c Abs. 5 UStG (von der Anwendung ausgeschlossene Umsätze), unterliegt die Lieferung der Besteuerung in dem EU-Mitgliedstaat, in dem die Lieferung endet (Bestimmungslandprinzip) und nicht des EU-Mitgliedstaats, in dem die Lieferung beginnt. Deshalb muss der liefernde Unternehmer die Besteuerungsregeln des EU-Mitgliedstaates anwenden, in dem die Lieferung endet. Dies betrifft grundsätzlich sowohl die materiellen als auch die verfahrensrechtlichen Umsatzsteuerregelungen des anderen EU-Mitgliedstaats. Hinsichtlich des Besteuerungsverfahrens kann von dem vereinfachten One-Stop-Shop-Verfahren nach § 18j UStG Gebrauch gemacht werden, wodurch die Registrierung für umsatzsteuerliche Zwecke in anderen EU-Mitgliedstaaten und die Anwendung deren Verfahrensrechts entfällt.

 

Rz. 44

Aus der Anwendung des materiellen Umsatzsteuerrechts der EU-Mitgliedstaaten im Rahmen des Bestimmungslandsprinzips leiten sich zahlreiche Fragestellungen ab, die insbesondere die Rechnungsstellung, die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes (ggf. auch mehrerer) sowie die Preiskalkulation und ggf. den offenen Preisausweis bei der Abrechnung betreffen.

 

Rz. 45

Wenngleich die Lieferungen im Rahmen von § 3c UStG nicht an vorsteuerabzugsberechtigte Empfänger gerichtet ist, kommt die Erteilung einer Rechnung über die Lieferung nach § 3c UStG an einen Nichtunternehmer aus unterschiedlichen Gründen dennoch in Betracht. Dies betrifft insbesondere die Fälle von § 14a Abs. 2 UStG. Danach ist der Unternehmer, der eine Lieferung nach § 3c Abs. 1 UStG im Inland ausführt, zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet, sofern er nicht am besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18j teilnimmt. In den Fällen der Rechnungsausstellung durch den liefernden Unternehmer sind Rechnungsanforderungen sowie ggf. Rechtsfolgen eines unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweises (vergleichbar zu den Regelungen nach § 14c UStG) des jeweiligen EU-Mitgliedstaats, in dem die Lieferung endet, zu berücksichtigen.

 

Rz. 46

Vor allem aber sind in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche ermäßigte Steuersätze durch den leistenden Unternehmer im Rahmen des Bestimmungslandprinzips zu berücksichtigen. Nach Art. 98 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden. Da sich aus Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL keine Verpflichtung zur Anwendung ermäßigter Steuersätze an sich und auch keine Verpflichtung zur Differenzierung in unterschiedliche ermäßigte Steuersätze ergibt, sind die jeweiligen Regelungen der EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich und müssen deshalb durch den liefernden Unternehmer einzelfallbezogen geprüft werden.

 

Rz. 47

Die ermäßigten Steuersätze können nur auf die im Anhang III der MwStSystRL genannten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen angewendet werden, was einer individuellen gesetzlichen Umsetzung durch die jeweiligen EU-Mitgliedstaaten bedarf und deshalb nicht für die gesamte EU verallgemeinerungsfähig ist. Besonderheiten gelten jedoch für ermäßigte Steuersätze auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen, auf die ermäßigte Steuersätze mit Ausnahme der unter Anlage III Nr. 6 MwStSystRL fallenden Dienstleistungen nicht anwendbar sind. Für die Praxis werden sich vor dem Hintergrund der jeweils unterschiedlichen Umsetzungen durch die EU-Mitgliedstaaten aufgrund der Abfassung von Gesetzen in der jeweiligen Amtssprache des EU-Mitgliedstaates und der i. d. R. Unverbindlichkeit von Gesetzesübersetzungen in andere (Verkehrs)Sprachen bereits sprachliche Abgrenzungsprobleme für die Anwendung ermäßigter Steuersätze in anderen EU-Mitgliedstaaten ergeben. Darauf bezogene Anwendungsfehler gehen zulasten des leistenden Unternehmers und sind mit nicht unerheblichen Steuerschuldnerschafts- und Haftungsrisiken verbunden ist.

 

Rz. 48

Für leistende Unternehmer, die unter den Anwendungsbereich von § 3c UStG fallen, ergibt sich aufgrund unterschiedlicher Steuersätze – sowohl Normal- als auch ermäßigte Steuersätze – auch die Notwendigkeit einer mitgliedstaatsbezogenen Preiskalkulation für die zu liefernden Gegenstände. Um ein gleich hohes Entgelt in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zu erreichen, müssen die Gegenstände zu unterschiedlichen Bruttopreisen angeboten werden, was eine entsprechende elektronische oder sonstige Angebotserstellung des liefernden Unternehmers mit Regionalbezug innerhalb der EU erfordert. Für den Fall des Angebo...

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