Rz. 54
Sofern die Voraussetzungen für einen innergemeinschaftlichen Fernverkauf nach § 3c Abs. 1 UStG i. d. F. ab 1.7.2021 vorliegen, verlagert sich der Ort der Lieferung abweichend von der allgemeinen Regelung nach § 3 Abs. 6 UStG (Ort der Lieferung am Beginn der Beförderung oder Versendung) in den EU-Mitgliedstaat, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet (Bestimmungslandprinzip). Dies gilt wegen § 3c Abs. 4 UStG nur dann nicht, wenn der leistende Unternehmer im vorangegangenen Kalenderjahr und im laufenden Kalenderjahr die Umsatzschwelle von 10.000 EUR nicht überschritten hat (dazu Rz. 67ff.) und auch nicht auf die Anwendung dieser Ausnahmeregelung verzichtet hat. Außerdem ist die Anwendung der Vorschrift nach § 3c Abs. 5 für bestimmte Umsätze ausgeschlossen (Rz. 87).
4.1 Regelungszweck
Rz. 55
Die Vorschrift dient inhaltlich der Umsetzung des Bestimmungslandprinzips beim Fernhandel innerhalb der EU und zielt von Ausnahmen aus Bagatellgründen (§ 3c Abs. 4 UStG) sowie aus strukturellen Gründen (§ 3c Abs. 5 UStG) auf dessen grundsätzlicher Umsetzung ab. Außerdem dient sie zusammen mit § 18j UStG der Rechtsvereinfachung und -vereinheitlichung innerhalb der EU.
4.2 Definition des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs
Rz. 56
Die Legaldefinition des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs ist in § 3c Abs. 1 S. 2 UStG enthalten. Danach liegt ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf vor, wenn die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete an den Erwerber befördert oder versandt wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Die dadurch ausgelöste Verlagerung des Orts der Lieferung in das Bestimmungsland greift unter den Voraussetzungen von § 3c Abs. 4 S. 1 UStG (dazu Rz. 67ff.) nicht ein; in diesem Fall verbleibt es bei der Regelung des § 3 Abs. 6 S. 1 UStG.
Ein im Inland ansässiger Händler veräußert über die eigene Internetseite elektronische Geräte an eine Privatperson in einem anderen EU-Mitgliedstaat. Die elektronischen Geräte werden aus seinem Lager im Inland an den Wohnsitz der Privatperson in dem anderen EU-Mitgliedstaat versendet.
Variante 1:
Der Händler überschreitet die Umsatzschwelle von 10.000 EUR nicht und verzichtet auch nicht auf die Anwendung des § 3c Abs. 4 S. 1 UStG (§ 3c Abs. 4 S. 2 UStG).
Lösung Variante 1:
Die Lieferung des Händlers an die Privatperson ist gemäß § 3 Abs. 6 S. 1 UStG im Inland steuerbar und steuerpflichtig. § 3c Abs. 1 UStG ist wegen der Ausnahmeregelung von § 3c Abs. 4 S. 1 UStG nicht anzuwenden, weil der Händler nur in einem EU-Mitgliedstaat ansässig ist und die Umsatzschwelle nicht überschreitet.
Variante 2:
Der Händler überschreitet die unionsweit geltende Umsatzschwelle von 10.000 EUR nach § 3c Abs. 4 S. 1 UStG bzw. verzichtet auf deren Anwendung nach § 3c Abs. 4 S. 2 UStG.
Lösung Variante 2:
Der Ort der Lieferung des Händlers an die Privatperson bestimmt sich nach § 3c Abs. 1 UStG. Deshalb ist der Ort der Lieferung dort, wo sich der Gegenstand bei Beendigung der Versendung an die Privatperson befindet, also in dem anderen EU-Mitgliedstaat. Der Händler kann das besondere Besteuerungsverfahren i. S. d. § 18j UStG (OSS) in Anspruch nehmen und den Umsatz darüber erklären. Andernfalls hat der Händler den Umsatz in dem anderen EU-Mitgliedstaat im allgemeinen Besteuerungsverfahren nach den dortigen Verfahrensregeln zu erklären.
Rz. 57
Für § 3c Abs. 1 UStG wird nicht vorausgesetzt, dass der liefernde Unternehmer im Inland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig ist. Nach § 3c Abs. 1 S. 2 UStG ist allein entscheidend, dass die Lieferung aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete an den Erwerber befördert oder versandt wird.
Ein im Drittland ansässiger Händler veräußert über eine eigene Internetseite elektronische Geräte an eine Privatperson im Gemeinschaftsgebiet. Die Ware wird aus dem Lager seiner Betriebsstätte im Inland an den Wohnsitz der Privatperson versendet.
Variante 1:
Der Händler überschreitet die Umsatzschwelle von 10.000 EUR nicht und verzichtet auch nicht auf deren Anwendung nach § 3c Abs. 4 S. 2 UStG.
Lösung Variante 1:
Die Lieferung des Händlers an die Privatperson ist nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG im Inland steuerbar und steuerpflichtig, weil sie nach § 3 Abs. 6 UStG im Inland beginnt. § 3c Abs. 1 UStG ist wegen § 3c Abs. 4 S. 1 UStG nicht anzuwenden, weil der Händler eine Betriebsstätte in nur einem EU-Mitgliedstaat hat und die Umsatzschwelle nicht überschreitet.
Variante 2:
Der Händler überschreitet die Umsatzschwelle von 10.000 EUR bzw. verzichtet auf deren Anwendung nach § 3c Abs. 4 S. 2 UStG.
Lösung Varante 2:
Die Lieferung des Händlers an die Privatperson ist nach § 3c Abs. 1 UStG zu beurteilen. De...