Rz. 11
Verwendet der Erwerber beim Erwerb der Gegenstände eine USt-IdNr. (§ 27a UStG), die ihm nicht von dem Mitgliedstaat erteilt wurde, in dem die Beförderung oder Versendung der Gegenstände tatsächlich endet, bestimmt sich der Ort des Erwerbs solange auch nach dem Staat, der die USt-IdNr. ausgegeben hat, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb in dem Mitgliedstaat besteuert worden ist, in dem die Versendung oder Beförderung endete (§ 3d S. 2 1. Alt. UStG).
Rz. 11a
§ 3d S. 2 1. Alt. UStG greift nur, wenn die grundlegenden Voraussetzungen des § 1a UStG erfüllt sind, sodass es eines Liefergeschäfts zwischen zwei Unternehmern sowie eines grenzüberschreitenden Transports bedarf. Allein die Verwendung einer USt-IdNr., die vom Mitgliedstaat des Transportendes abweicht, kann noch nicht zur Erwerbsbesteuerung führen.
Unternehmer D aus Deutschland bestellt Ware beim Unternehmer I aus Italien, um sie an seinen italienischen Kunden K weiter zu liefern. I versendet die Ware unmittelbar zu K innerhalb Italiens. D verwendet seine deutsche USt-IdNr. — Die Voraussetzungen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs nach § 1a Nr. 1 UStG liegen nicht vor, da die Ware nicht von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat gelangt. Allein die Verwendung einer deutschen USt-IdNr. führt nicht zur Steuerbarkeit eines fiktiven innergemeinschaftlichen Erwerbs des D in Deutschland.
Rz. 12
Eine Lieferung kann folglich zunächst an zwei unterschiedlichen Erwerbsorten bewirkt werden. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, entfällt die Erwerbsbesteuerung in dem Staat, dessen USt-IdNr. der Erwerber angegeben hat, wenn der Erwerber der dortigen Finanzverwaltung nachweist, dass eine Erwerbsbesteuerung im Mitgliedstaat des Transportendes erfolgte. Die Steuerschuld endet erst im Zeitpunkt des Nachweises und wirkt nicht zurück (vgl. Rz. 17). Die Rechtsfolge des § 3d S. 2 UStG ist mithin nur subsidiär und auflösend bedingt.
Rz. 13
Der primäre Zweck des zweiten Erwerbsorts durch § 3d S. 2 UStG liegt darin, die Besteuerung des Erwerbs innerhalb der EU sicherzustellen. Die Norm ist aber auch als Sanktion zu verstehen, da zumindest eine Besteuerung – diejenige nach der verwendeten USt-IdNr. des Abnehmers, die zwingend notwendige Voraussetzung für die StBefreiung des liefernden Unternehmers ist – erfolgt. Der liefernde Unternehmer muss in der Zusammenfassenden Meldung die ihm vom Abnehmer mitgeteilte USt-IdNr. angeben. Diese Information wird dem Mitgliedstaat verfügbar gemacht, der die USt-IdNr. erteilt hat, sodass die Besteuerung in diesem Mitgliedstaat gewährleistet ist.
Rz. 14
Das Gesetz regelt nicht, was unter "Verwendung" einer USt-IdNr. durch den Erwerber zu verstehen ist. Auch das Gemeinschaftsrecht lässt die Frage offen. Nach dem Sinn und Zweck des § 3d S. 2 UStG muss berücksichtigt werden, dass der liefernde Unternehmer die Stbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch genommen hat, denn nur in diesem Fall droht ein Steuerausfall, den die Regelung vermeiden soll. Deshalb und aufgrund des Sanktionscharakters dürfen die Anforderungen an die Verwendung nicht zu hoch gestellt werden. Zuzustimmen ist demnach der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach eine formularmäßig eingedruckte Angabe der USt-IdNr. auf dem Briefkopf nicht ausreicht, um die Anwendung des § 3d S. 2 UStG zu rechtfertigen. Vielmehr muss der Lieferer die USt-IdNr. des Erwerbers auf der Rechnung angeben (§ 14a Abs. 3 UStG) und in seiner ZM (§ 18a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. a UStG) den Umsatz als stfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandeln. Zudem muss die Rechnung m. E. ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis einen Hinweis auf die Anwendung einer StBefreiung enthalten. Nur wenn die Voraussetzungen insgesamt vorliegen, kann der Erwerber bei Erhalt der Rechnung davon ausgehen, dass sein Lieferant die StBefreiung in Anspruch genommen hat, sodass das Risiko eines Steuerausfalls droht sowie eine Sanktion gerechtfertigt erscheint. Dem Erwerber steht es in der Folge frei, seinem Leistungspartner mitzuteilen, dass er für diese Lieferung eine andere bzw. keine USt-IdNr. verwendet, um der Anwendung des § 3d S. 2 UStG bereits im Vorfeld zu begegnen. Der Forderung der Finanzverwaltung nach einem "positiven Tun" des Leistungsempfängers entsprechend der Regelungen zur Ortsbestimmung nach § 3a Abs. 2 UStG (s. o.) sowie zu § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG ist vor diesem Hintergrund zumindest in Teilen zuzustimmen.