1.1 Vorbemerkung, Zweck und Bedeutung der Vorschrift
Rz. 1
Die Umsatzsteuerbefreiung für Postdienstleistungen nach § 4 Nr. 11b UStG in der seit dem 1.7.2010 geltenden Fassung gilt für alle Unternehmer, die sich zum ständigen und flächendeckenden Anbieten der Gesamtheit oder einzelnen Teilbereiche der Post-Universaldienstleistungen verpflichten. Darüber hinaus müssen die Universaldienstleistungen bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen und den tragbaren Preisen für alle Nutzer entsprechen. Unter die Steuerbefreiung fallen nur bestimmte Post-Universaldienstleistungen. Post-Universaldienstleistungen sind ein Mindestangebot an Postdienstleistungen, die flächendeckend im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden (§ 11 PostG). Inhalt, Umfang und Qualitätsmerkmale von Post-Universaldienstleistungen sind in der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) festgelegt. Die EU-Mitgliedstaaten müssen auch nach dem Wegfall des Postmonopols nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL für Postdienstleistungen öffentlicher Posteinrichtungen, die dem Gemeinwohl dienen, eine Steuerbefreiung bei der USt vorsehen. Eine solche Befreiung ist auch nach der EuGH-Rechtsprechung erforderlich.
Rz. 2
Maßgebend hierfür ist insbesondere, dass mit der Steuerbefreiung für diese Leistungen sichergestellt werden soll, dass Postdienstleistungen auch weiterhin für die breite Bevölkerung, d. h. für jedermann, erschwinglich sind. Unter eine Steuerbefreiung für Postdienstleistungen können deshalb nur Leistungen von Unternehmen fallen, die eine Versorgung der Gesamtbevölkerung zuverlässig gewährleisten, die sich also verpflichten, alle oder einen Teilbereich der Post-Universaldienstleistungen tatsächlich flächendeckend und in einer bestimmten Qualität und zu einem angemessenen Preis anzubieten. Die Mehrwertsteuer-Befreiung muss also auch nach Wegfall von Postmonopolen für flächendeckende Universaldienste in der Postbranche erhalten bleiben.
Rz. 3
Die bis 30.6.2010 allein für die Leistungen der Deutsche Post AG (im Folgenden DP AG) geltende Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 11b UStG wurde m. W. v. 1.7.2010 an die Entwicklung der Liberalisierung auf dem Postmarkt und an die Vorgaben des Unionsrechts angepasst. Nach bis zum 30.6.2010 geltendem Recht sind die unmittelbar dem Postwesen dienenden Umsätze der DP AG von der USt befreit. Die Mehrwertsteuerbefreiung verschaffte dem Unternehmen Kostenvorteile gegenüber seinen mehrwertsteuerpflichtigen Wettbewerbern. Diese steuerliche Ungleichbehandlung bewirkte eine Wettbewerbsverzerrung, die bei umsatzsteuerpflichtigen und damit vorsteuerabzugsberechtigten Kunden zugunsten der Wettbewerber und bei nicht umsatzsteuerpflichtigen und damit nicht vorsteuerabzugsberechtigten Kunden zugunsten der DP AG wirkte. Nicht umsatzsteuerpflichtig sind Privatkunden, Behörden und sonstige staatliche Einrichtungen, Kirchen und Unternehmen der Branchen, deren Lieferungen und sonstigen Leistungen nach § 4 UStG steuerbefreit sind, u. a. Banken und Versicherungen, Wohlfahrtsverbände, Krankenhäuser, Ärzte und Bildungseinrichtungen. Dies sind ausgerechnet die Kundengruppen, die i. d. R. viel Post versenden. Aufgrund der Bedeutung von Synergieeffekten bei der Einsammlung und Zustellung im Briefmarkt konnte sich diese wettbewerbliche Verzerrung jedoch auch auf den Wettbewerb um umsatzsteuerpflichtige Geschäftskunden auswirken.
Rz. 4
Derartige Wettbewerbsverzerrungen werden durch die ab 1.7.2010 geltende Steuerbefreiung weitestgehend vermieden. Nach § 4 Nr. 11b UStG i. d. F. ab 1.7.2010 sind Post-Universaldienstleistungen umsatzsteuerfrei, mit denen – durch einen oder mehrere Unternehmer – eine Grundversorgung der Bevölkerung sichergestellt wird. Der Umfang des begünstigten Leistungsspektrums ergibt sich aus den ordnungsrechtlichen Vorschriften des EU-Postrechts. Das Leistungsspektrum der begünstigten Post-Universaldienstleistungen ist auf das in der 1. Post-Richtlinie vorgesehene Mindestmaß reduziert. Nicht unter die Befreiung fallen Leistungen, deren Bedingungen zwischen den Vertragsparteien individuell vereinbart werden. Nicht unter die Steuerbefreiung fallen außerdem Leistungen mit nach den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" eines Anbieters festgelegten Qualitätsmerkmalen, die von den in den §§ 2 bis 4 PUDLV festgelegten Qualitätsmerkmalen abweichen, und/oder zu nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Anbieters festgelegten Tarifen (z. B. verringerte Entgelte bei mehr als 50 Einheitsbriefen an Empfänger in bestimmten Postleitzahlenbereichen), die zwar grundsätzlich für jedermann zugänglich, aber nicht für den durchschnittlichen Nachfrager eines Privathaushalts bestimmt sind. Hierbei wurden die verbindlichen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen in Auslegung des EuGH berücksichtigt. Danach sind auch weiterhin Post-Universaldienstleistungen als Leistungen des Gemeinwohls von der USt zu befreien, soweit sie von öffentlichen Posteinrichtungen erbracht werden. Die Befreiung der Post-Uni...