Rz. 46
In richtlinienkonformer Auslegung von § 4 Nr. 11b UStG i. d. F. bis 30.6.2010 setzt die Steuerbefreiung voraus, dass die Umsätze von der DP AG als öffentliche Posteinrichtung erbracht werden. Nur insoweit kann die Steuerbefreiung reichen. Fraglich ist, in welchen Bereichen die DP AG mit ihren Postdienstleistungen als öffentliche Posteinrichtung handelte und wo nicht. Nach seiner Weisung v. 18.2.2000 gegenüber dem FinMin Nordrhein-Westfalen ging der BMF davon aus, dass die Steuerbefreiung sich sowohl auf den Exklusivlizenzbereich als auch auf die Universaldienstleistungen erstreckte. Kein anderes Unternehmen als die DP AG könne (derzeit) die Universaldienstleistungen erfüllen und im Ergebnis sei dieses Leistungsbündel der DP AG eigentümlich und vorbehalten.
Rz. 47
Für die Möglichkeit der Anwendung der Steuerbefreiung auf die Universaldienstleistungen bis 30.6.2010 könnten folgende Überlegungen sprechen: Die Universaldienstleistungen, die ein Mindestangebot an Postdienstleistungen darstellen, musste die DP AG unter den in den §§ 2 bis 4 und 6 PUDLV genannten Anforderungen und Bedingungen flächendeckend erfüllen. Dabei werden Mindestanforderungen an die Qualitätsmerkmale für die Beförderung von Briefen, Paketen sowie von Zeitungen und Zeitschriften festgelegt. Wenn kein anderes Unternehmen diese Leistungen erfüllen konnte, waren diese Umsätze faktisch der DP AG eigentümlich und vorbehalten, d. h., die DP AG konnte wie ein Monopolist agieren. Zur Klarstellung hatte der Gesetzgeber im Zweiten Gesetz zur Änderung des Postgesetzes die DP AG verpflichtet, für den Zeitraum der gesetzlichen Exklusivlizenz (bis 2007) auch die Universaldienstleistungen bis dahin zu erbringen. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber selbst deutlich gemacht hatte, dass er diese Sicht der Dinge auch schon 1998 den damaligen Regelungen zugrunde gelegt hatte. Das Postgesetz sieht in den §§ 11ff. vor, dass die Regulierungsbehörde zur Gewährleistung des Universaldienstes erforderlichenfalls Unternehmen zu Universaldienstleistungen verpflichten kann. Dabei ging der Gesetzgeber für eine Übergangszeit von einer faktischen Erfüllung der Universaldienstverpflichtung durch die Deutsche Post AG aus. Durch Art. 1 Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des PostG wurde § 52 PostG dahingehend geändert, dass für den Zeitraum der gesetzlichen Exklusivlizenz die DP AG zur Erbringung der Universaldienstleistungen verpflichtet wurde. Aus dieser Verpflichtung könnte – als nachträgliche Bestätigung – abgeleitet werden, dass es sich bei den Universaldienstleistungen der DP AG um unmittelbar dem Postwesen dienende Umsätze der DP AG handeln würde, die nach § 4 Nr. 11b UStG bis 30.6.2010 von der USt befreit werden konnten.
Rz. 48
Gegen die Ausdehnung der Steuerbefreiung auf den Universaldienstleistungsbereich und für eine Beschränkung auf den Exklusivlizenzbereich für die Zeit bis 30.6.2010 sprechen folgende Überlegungen: Nach dem Unionsrecht ist es erforderlich, dass die zu befreiende Postdienstleistung von einer öffentlichen Posteinrichtung erbracht wird. Obwohl die Deutsche Post privatisiert wurde, ging der deutsche Gesetzgeber davon aus, dass der öffentliche Charakter der DP AG trotz Umstrukturierung der Deutschen Bundespost von einem Monopolunternehmen in drei private Unternehmen noch nicht vollständig aufgegeben worden sei. Für diese Auffassung spricht an sich auch das EuGH-Urteil v. 11.7.1985. Der EuGH hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Steuerbefreiung auch dann gewährt werden könne, wenn ein Mitgliedstaat die postalischen Tätigkeiten auf eine Einrichtung überträgt, die keine Einrichtung des öffentlichen Rechts, sondern ein konzessioniertes Unternehmen ist. Dies dürfte gleichermaßen gelten, wenn und soweit – obwohl Wettbewerb grundsätzlich zugelassen ist – die Einrichtung der einzige Anbieter ist und Wettbewerbsverzerrungen faktisch nicht bestehen. Vor dem damaligen wirtschaftlichen Hintergrund des EuGH-Urteils v. 11.7.1985 (es gab keine privaten Post-Beförderer) ist jedoch davon auszugehen, dass dies nicht gilt, wenn das konzessionierte Unternehmen Mitkonkurrenten hat. Die Leistungen eines privaten (konzessionierten) Unternehmens könnten somit nicht schon deshalb umsatzsteuerfrei sein, weil es diese Leistungen in Bereichen ausführt, die zuvor von einer öffentlichen Posteinrichtung bedient wurden.
Rz. 49
Für die Leistungen der DP AG bis 30.6.2010 bedeutet dies m. E. vor dem Hintergrund, dass alle Postdienstleistungen, die nicht der bis 31.12.2007 geltenden Exklusivlizenz der DP AG unterlagen, für den Wettbewerb geöffnet waren, dass nur die Leistungen im Bereich der Exklusivlizenz von der MwSt zu befreien waren, weil die DP AG insoweit ein Monopol hatte. Soweit aber der Markt in einzelnen Bereichen dem freien Wettbewerb unterliegt und von jedem anderen Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen (Lizenz) zugänglich ist, wie dies unstrittig bei den Universaldienstleistungen außerhalb des Exklusivl...