Rz. 13
Nach § 4 Nr. 4b S. 1 UStG ist die einer Einfuhr vorangehende Lieferung (Einfuhrlieferung) von der Umsatzsteuer befreit. D.h., es muss sich um die Lieferung eines Gegenstands handeln, der zum Zeitpunkt der Lieferung noch nicht den Tatbestand der Einfuhr erfüllt hat bzw. diesen erst später erfüllt. Steuerbar ist nach dem mWv 1.1.2004 neu gefassten § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG (vgl. dortige Kommentierung) die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (EUSt). Der umsatzsteuerrechtliche Einfuhrtatbestand setzt voraus, dass eine Nicht-Unionsware in das Inland verbracht wird und dieser Vorgang hier steuerbar ist. Für den umsatzsteuerrechtlichen Einfuhrtatbestand ist damit nicht allein entscheidend, dass der Gegenstand aus dem Drittland in das Inland gelangt, sondern hier auch grundsätzlich der Besteuerung unterliegt, d. h. im Regelfall eine Einfuhrumsatzsteuerschuld entsteht. Danach liegt z. B. keine Einfuhr im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vor, wenn sich die Nicht-Unionsware in einem zollrechtlichen Versandverfahren befindet.
Gemessen an dem BMF-Schreiben v. 28.1.2004 zur Umsatzsteuerlagerregelung, wonach die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4b für Lieferungen von Nicht-Unionswaren gilt, die sich in einem besonderen Zollverfahren nach Art. 210 UZK befinden, ist die Befreiung nach § 4 Nr. 4b UStG eng auszulegen. Da eine Einfuhr tatbestandsmäßig nicht nur nach das Gelangen der Ware in das Unionsgebiet voraussetzt, sondern zusätzlich auch die Anmeldung zum freien Verkehr, kann somit eine Lieferung vor Einfuhr nur befreit sein, wenn die Verschaffung der Verfügungsmacht an der Ware der Abgabe der Zollanmeldung durch den Abnehmer vorangeht.
In einem Reihengeschäft "China – Israel – DE" gelangt Ware unmittelbar vom ersten Lieferer ("China"") an den letzten Abnehmer ("DE") aus China nach Deutschland. Zwischenhändler ist ein in Israel ansässiger Unternehmer. Der gesamte Warentransport erfolgt im Auftrag des ersten Lieferers ("China"). Die Einfuhranmeldung in Deutschland erfolgt in direkter Vertretung für den letzten Abnehmer "DE" unmittelbar im Zeitpunkt der Einfuhr. Die Ware befindet sich zum Zeitpunkt des Endes der Beförderung/Versendung nicht in einem besonderen zollrechtlichen Erhebungsverfahren.
Die Lieferung "China – Israel" ist nach § 3 Abs. 6a S. 2 UStG i. V. m. § 3 Abs. 6 S. 1 in China ausgeführt (Beginn der Beförderung/Versendung) und damit nicht in Deutschland steuerbar. Die Lieferung "Israel – DE" ist eine sog. ruhende Lieferung, die nach § 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 2 UStG in Deutschland (Ende der Beförderung/Versendung) steuerbar ist. Diese Lieferung ist steuerpflichtig. § 4 Nr. 4b UStG findet keine Anwendung, da die Verschaffung der Verfügungsmacht an "DE" erst am finalen Bestimmungsort der Ware (zum Zeitpunkt des Endes der Beförderung/Versendung) und somit denklogisch zeitlich nach der Einfuhr stattfindet. § 4 Nr. 4b UStG wäre nur dann anwendbar, wenn die Ware zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht an "DE" sich noch in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren befinden würde und "DE" oder ein Dritter später die Einfuhrabwicklung vornehmen würde (z. B. in einem Zolllagerverfahren). Dieses Ergebnis wird bestätigt durch das Beispiel 1 in Abschnitt 3.14 Abs. 16 UStAE aufgrund des dort entscheidenden Sachverhaltszusatzes "D lässt die Teile zur Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr abfertigen, nachdem ihm S die Computerteile übergeben hat". Im o. g. Sachverhalt erfolgt die Einfuhrabwicklung dagegen vor der Verschaffung der Verfügungsmacht an "DE".
Rz. 14
Nach § 4 Nr. 4b UStG sind somit nur Lieferungen von Waren steuerfrei, die noch nicht zur Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr abgefertigt worden sind. Begünstigt sind nur Lieferungen von Nicht-Unionswaren, die sich in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren befinden. Der Umsatz des liefernden Unternehmers ist auch nur dann befreit, wenn dessen Abnehmer (oder ein nachfolgender Abnehmer) bzw. ein vom Abnehmer Beauftragter den Liefergegenstand einführt. Diese Voraussetzungen liegen regelmäßig dann vor, wenn der Abnehmer die Ware in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt. Der Abnehmer kann im In- oder Ausland ansässig sein und er muss nicht die Voraussetzungen der Unternehmereigenschaft in § 2 UStG erfüllen. Begünstigt sind danach auch Umsätze, bei denen die Abfertigung zur Überlassung zum freien Verkehr einem nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Nichtunternehmer zuzurechnen ist.
Rz. 15
Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4b UStG greift ungeachtet dessen, ob die nachfolgende Einfuhr steuerpflichtig oder nach § 5 UStG steuerfrei ist. Wird eine Nicht-Unionsware aus dem Inland in das Drittlandsgebiet ausgeführt, ist diese Ausfuhrlieferung jedoch nicht nach § 4 Nr. 4b UStG steuerfrei. Insoweit gelten die spezifischen Voraussetzungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 6 UStG. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4b UStG greift nur, wenn die nach...