6.4.2.1 Erwerb der Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG)
Rz. 115
Nach § 1 Abs. 2 GrEStG sind auch Rechtsvorgänge grunderwerbsteuerbar, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Damit sind auch die Grundstücksgeschäfte grunderwerbsteuerbar (und umsatzsteuerfrei), die nicht auf den zivilrechtlichen Erwerb des Eigentums gerichtet sind, sondern nur die wirtschaftliche Stellung eines Grundstückseigentümers verschaffen. Nach der Rechtsprechung des BFH kann die Verwertungsbefugnis sich – ebenso wie beim Eigentümer – aus zwei Möglichkeiten der Verwertung ergeben, nämlich aus dem Recht zur Nutzung und aus dem Recht, das Grundstück wie ein Zwischenerwerber "auf eigene Rechnung" zu veräußern.
Der BFH wendet diese Vorschrift somit auch auf Rechtsvorgänge an, bei denen ein sog. atypischer Makler aufgrund besonderer Abreden in einem Vermittlungsauftrag über Grundstückseigentum eine Rechtsstellung erhält, die ihm eine "Chance zur Beteiligung an der Substanz des Grundstücks" einräumt und es ihm ermöglicht, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, da der Grundstückseigentümer zum Abschluss von Kaufverträgen mit vom Makler benannten Käufern verpflichtet ist und dem Makler der über den festgelegten Mindestkaufpreis hinausgehende Betrag als Vermittlungsprovision zusteht.
6.4.2.2 Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG)
Rz. 116
Gehört einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar und mittelbar so, dass mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dieser Anteilswechsel als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Damit ist dieser Anteilswechsel grunderwerbsteuerbar. Für § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG ist dieser Tatbestand ohne besondere Bedeutung, da die Übertragung von Gesellschafteranteilen bereits nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG bzw. nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG umsatzsteuerfrei ist.
6.4.2.3 Anteilsvereinigung und Übertragung vereinigter Anteile (§ 1 Abs. 3 und 4 GrEStG)
Rz. 117
Die Vereinigung und Übertragung von mindestens 90 % der Anteile an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, sind nach § 1 Abs. 3 GrEStG bzw. nach § 1 Abs. 4 GrEStG unter den dort genannten Voraussetzungen auch grunderwerbsteuerbar und damit umsatzsteuerfrei. Auch in diesen Fällen kommt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG bzw. § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG in Betracht. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG spielt im Prinzip keine Rolle.