Rz. 45
Fällt eine der Voraussetzungen nach § 6b Abs. 1 und 5 UStG binnen 12 Monaten nach dem Ende der Beförderung oder Versendung des Gegenstands und vor dem Zeitpunkt der Lieferung weg, gilt gem. § 6b Abs. 6 S. 1 UStG am Tag dieses Ereignisses die Beförderung oder Versendung des Gegenstands als das einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellte Verbringen. Es sollen dann wieder die in Rz. 40 genannten Rechtsfolgen eintreten.
Liegt jedoch eine der vorgenannten Tatbestandsvoraussetzungen des § 6b UStG von vorneherein nicht vor, treten die Rechtsfolgen des § 6b Abs. 2 UStG von vorneherein nicht ein.
Somit könnte man im Bedarfsfall bewusst die Rechtsfolgen des § 6b UStG nicht eintreten lassen, indem man ein notwendiges Tatbestandsmerkmal weglässt. Damit läge faktisch eine Optionsmöglichkeit vor. Am einfachsten dürfte es sein, wenn der Lieferer die in § 6b Abs. 1 Nr. 4 UStG genannte ZM nicht übermittelt. Dann treten die Rechtsfolgen des § 6b UStG von vorneherein nicht ein. Es treten dann – je nach Einzelfall – die Rechtsfolgen ein, die bis zum 31.12.2019 galten. Dabei gilt es aber zusätzlich im Einzelfall zu prüfen, wie die jeweiligen Mitgliedstaaten seit dem 1.1.2020 mit derartigen Fällen verfahren. In den Fällen, in denen Deutschland der Bestimmungsmitgliedstaat ist, ist m. E. weiterhin Abschn. 1a.2 Abs. 6 S. 4-9 UStAE anwendbar.
Diese Auffassung macht sich m.E auch die Verwaltung zu eigen. Gem. Abschn. 6b.1 Abs. 19 S. 1 UStAE kann der liefernde Unternehmer durch die Nichterfüllung einer dieser Voraussetzungen oder Überschreiten der 12-Monatsfrist (Rz. 30) erreichen, dass die Vereinfachungsregelung nach § 6b UStG keine Anwendung findet. Das Gleiche gilt für Fälle, in denen § 6b UStG bereits dem Grunde nach keine Anwendung findet. Gem. Abschn. 6b.1 Abs. 3 S. 4 erster Halbsatz UStAE können dann die Regelungen in Abschn. 1a.2 Abs. 6 S. 6 UStAE (Rz. 8) bzw. Abschn. 3.12 Abs. 3 S. 8 sowie Abs. 7 S. 1 UStAE entsprechend angewendet werden. Die Verwaltung macht aber auch klar, dass dies nicht nachträglich möglich ist. Denn nach Abschn. 6b.1 Abs. 3 S. 4, zweiter Halbsatz UStAE sind die Regelungen in Abschn. 1a.2 Abs. 6 S. 6 bzw. Abschn. 3.12 Abs. 3 S. 8 sowie Abs. 7 S. 1 nicht anzuwenden, was sich folgerichtig aus § 3b Abs. 6 S. 1 UStG ergibt.
Rz. 45a
Unter § 6b Abs. 6 S. 2 UStG fallen Lieferungen, bei denen ein anderer Erwerber als der nach § 6b Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 5 UStG die Verfügungsmacht an dem Gegenstand erhält. Die Voraussetzungen nach § 6b Abs. 1 und 5 UStG gelten an dem Tag vor der Lieferung als nicht mehr erfüllt. In diesem Fall liegt gem. Abschn. 6b.1 Abs. 20 S. 3 UStAE stets ein einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestelltes Verbringen vor.
Rz. 45b
Nach § 6b Abs. 6 S. 3 UStG kommt § 6b Abs. 2 UStG ebenfalls nicht zur Anwendung, wenn der Gegenstand der Lieferung vor der Lieferung oder bei Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat als den Abgangsmitgliedstaat oder in das Drittland befördert oder versendet wird. Vielmehr liegt in diesem Fall gem. Abschn. 6b.1 Abs. 1 S. 2 UStAE am Tag vor der Beförderung oder Versendung ein einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestelltes Verbringen vor. Soll ein sich bereits in einem Lager i. S. d. § 6b UStG im Bestimmungsmitgliedstaat befindlicher Gegenstand vor Lieferung aus diesem Lager in ein in einem anderen Mitgliedstaat gelegenes Lager i. S. d. § 6b UStG befördert oder versendet werden, bedarf es zur Vermeidung der Ausschlussregelung des § 6b Abs. 6 S. 3 i. V. m. S. 2 UStG gem. Abschn. 6b.1 Abs. 21 S. 3 UStAE einer Rücklieferung nach § 6b Abs. 4 UStG in den Abgangsmitgliedstaat.