2.1 Allgemeines
Rz. 19
Der Verzicht auf Steuerbefreiungen gem. § 9 Abs. 1 UStG hat folgende Voraussetzungen:
- Verzichten können nur Unternehmer.
- Die Umsätze müssen an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt werden.
- Nur Umsätze, welche nach § 4 Nr. 8 Buchst. a bis g (und in der Zeit v. 1.1. bis Ende 1999 gem. Buchst. k; Rz. 16). § 4 Nr. 9 Buchst. a, § 4 Nr. 12, § 4 Nr. 13 oder § 4 Nr. 19 UStG steuerfrei sind, können als steuerpflichtig behandelt werden.
Rz. 20
Die Überschrift des § 9 UStG lautet seit dem 1.1.1965 unverändert "Verzicht auf Steuerbefreiungen". § 9 UStG 1980 i. d. F. bis zum 31.12.1984 sprach (ebenso wie jetzt § 9 Abs. 1 UStG 1993) allerdings nur davon, dass der Unternehmer einen Umsatz als steuerpflichtig behandeln könne. Gemäß § 9 Abs. 2 UStG ist der Verzicht "nur zulässig, soweit …". Trotz der Formulierung "Verzicht" in der Überschrift und in § 9 Abs. 2 UStG muss der Unternehmer einen Verzicht aber nicht ausdrücklich aussprechen i. S. der Abgabe einer Willenserklärung. Anders als gem. § 9 UStG 1967/73 bedarf es seit dem UStG 1980 keiner ausdrücklichen Erklärung über den Verzicht mehr gegenüber einer Finanzbehörde. Vielmehr kann der Unternehmer den steuerfreien Umsatz seit dem 1.1.1980 einfach als steuerpflichtig behandeln, d. h. der Besteuerung unterwerfen. Art. 137 MwStSystRL spricht davon, dass der Unternehmer sich "für eine Besteuerung entscheiden" kann (Rz. 35). Im Zwangsversteigerungsverfahren ist der Verzicht gem. § 9 Abs. 3 S. 1 UStG an den Ersteher bis zur Aufforderung zur Abgabe von Geboten im Versteigerungstermin zulässig, d. h. der Verzicht ist gegenüber den im Versteigerungstermin bietenden Personen auszusprechen (vgl. Rz. 4a). Der Verzicht gem. § 9 Abs. 3 S. 2 UStG muss im notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag erklärt werden. Das gilt auch für die Rücknahme des Verzichts. Bei diesen Vorgängen gem. § 9 Abs. 3 UStG wirkt keine Finanzbehörde mit.
2.2 Zum Verzicht berechtigte Unternehmer
Rz. 21
§ 9 UStG formuliert, dass der Unternehmer die aufgeführten steuerfreien Umsätze als steuerpflichtig behandeln kann. Dass nur Unternehmer von der Vorschrift betroffen sein können, versteht sich eigentlich von selbst, denn nur Unternehmer können steuerfreie oder steuerpflichtige Umsätze erbringen. Maßgebender Unternehmerbegriff ist damit der des § 2 UStG; zu den Einzelheiten kann deshalb auf die Erläuterungen dieser Vorschrift verwiesen werden. Von Bedeutung vor allem im Hinblick auf die Möglichkeit, auf die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 12 UStG verzichten zu können, ist der Umstand, dass auch die einmalige Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken eine unternehmerische Tätigkeit darstellt, wenn durch sie ein auf die Erzielung von Einnahmen gerichteter Dauerzustand hergestellt wird. Dadurch hat § 9 UStG u. U. Bedeutung auch für Unternehmer, die sich ihrer Unternehmereigenschaft wegen der grundsätzlichen Steuerfreiheit der Vermietungs- und Verpachtungsumsätze bei Grundstücken gem. § 4 Nr. 12 UStG gar nicht bewusst sind. Wichtig ist daher für die Anwendung des § 9 UStG auch, ob sich die Herstellung eines Dauerzustands in einer einmaligen Tätigkeit erschöpft, oder ob ein nachhaltiges Tun (aktiv oder duldend durch Unterlassen) gegeben ist.
Ein sonst nicht unternehmerisch tätiger Grundstückseigentümer bestellt einem Energieversorgungsunternehmen eine entgeltliche Dienstbarkeit zur Sicherung der Leitungsüberspannungsrechte über dem Grundstück. Diese (einmalige) Bestellung des Rechts führt wegen ihrer Nachhaltigkeit hinsichtlich der damit verbundenen Duldung zur Unternehmereigenschaft. Die Bestellung der Dienstbarkeit ist ein gem. § 4 Nr. 12 UStG steuerfreier Umsatz, auf den § 9 UStG anwendbar ist.
Rz. 22
Das BMF v. 4.3.1985, ging – in Übereinstimmung mit der nicht zweifelsfreien, aber wohl damals schon allgemeinen Meinung – davon aus, dass z. B. in der Nießbrauchsbestellung eine fortdauernde unternehmerische Leistung gegeben ist, denn sonst wäre die Anwendbarkeit des zum 1.1.1985 geänderten § 4 Nr. 12 UStG auf bereits bestellte dingliche Rechte nicht denkbar.
Rz. 23
Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis darauf, dass man durch die Ausführung nur unentgeltlicher Leistungen die Unternehmereigenschaft nicht erwerben kann. § 2 Abs. 1 UStG verlangt eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Hieran fehlt es, wenn ausschließlich unentgeltlich geleistet wird.
A, welcher im Übrigen keiner unternehmerischen Tätigkeit nachgeht, wohnt in einem ihm gehörigen Zweifamilienhaus. Eine Wohnung bewohnt er ausschließlich selbst; die andere Wohnung überlässt er unentgeltlich seinem Sohn, der darin eine Rechtsanwaltspraxis betreibt. A möchte die auf die Renovierung der Praxisetage entfallenden Vorsteuern abziehen. Dies ist nicht möglich, weil A nicht Unternehmer ist, denn das Wohnen im eigenen Haus und die unentgeltl...