Rz. 10
Nach § 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (s. auch Rz. 64). Daraus leitet sich auch für § 25e UStG ab, dass das FA ein Ermessen hinsichtlich der Haftungsinanspruchnahme des Betreibers der elektronischen Schnittstelle (des elektronischen Marktplatzes) hat. Da es sich beim Haftungsbescheid um einen sonstigen, schriftlich zu erteilenden Steuerverwaltungsakt handelt, ist er nach § 121 Abs. 1 AO zu begründen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund ist die Darlegung des Finanzamts erforderlich, warum der Haftungsschuldner nach § 25e UStG in Anspruch genommen wird (s. auch Rz. 64).
Rz. 11
Die Ermessensausübung im Rahmen des § 191 Abs. 1 AO hat auch die Prüfung einzuschließen, ob die nicht entrichtete Umsatzsteuer, auf die sich die Haftung erstrecken soll, beim liefernden Unternehmer nicht erfolgreich geltend gemacht werden kann. Erst wenn im Rahmen dieser Abwägung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von der erfolglosen Einforderung der Umsatzsteuer beim liefernden Unternehmer ausgegangen werden kann, kommt eine Inanspruchnahme des Betreibers der elektronischen Schnittstelle (des elektronischen Marktplatzes) in Betracht. Diese Subsidiarität entspricht der Rechtsnatur der Haftungsnorm, die nicht die Verschiebung der Steuerschuldnerschaft bezweckt, sondern im Hinblick auf die durch eine elektronische Schnittstelle (einen elektronischen Marktplatz) eröffnete Gefährdung des Besteuerungstatbestands die Haftung an die Verletzung steuerlicher Pflichten durch den Betreiber knüpft.
Rz. 12
Die im Rahmen der Ermessensausübung zu prüfende überwiegende Wahrscheinlichkeit der erfolglosen Einforderung der Umsatzsteuer beim leistenden Unternehmer setzt aufgrund des als Gefährdungshaftung ausgestalteten Tatbestands aber keinen der Haftung vorausgehenden Versuch des (zwangsweisen) Steuereinzugs durch das Finanzamt voraus. Vielmehr genügt es insoweit, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls auf diese Wahrscheinlichkeit geschlussfolgert werden kann. Als dies indizierende Umstände kommen insbesondere die steuerliche Nichtregistrierung, die Nichterfüllung anderer steuerlicher Mitwirkungspflichten sowie die Nichtzahlung fälliger Steuern in der Vergangenheit durch liefernde Unternehmer in Betracht. Der Betreiber ist vor Erlass des Haftungsbescheids anzuhören (s. a. Rz. 64).