Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.

Eine steuerrechtliche Anzeige- und Berichtigungspflicht besteht laut BGH nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO auch dann, wenn der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit seiner Angaben bei Abgabe der Steuererklärung nicht gekannt, aber billigend in Kauf genommen hat und er später zu der sicheren Erkenntnis gelangt ist, dass die Angaben unrichtig sind. Die sich aus § 153 AO ergebende steuerrechtliche Pflicht zur Berichtigung von mit bedingtem Hinterziehungsvorsatz abgegebenen Erklärungen wird strafrechtlich erst mit der Bekanntgabe der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens suspendiert, das die unrichtigen Angaben erfasst.

Die Nachfolge-Geschäftsführerin einer Kapitalgesellschaft kann ggf. vom Finanzamt unter Berufung auf § 69 AO i.V.m. § 34 AO persönlich in Haftung genommen werden, wenn sie es pflichtwidrig unterlässt, fehlerhafte Steuererklärungen ihres Vorgängers, deren Unrichtigkeit sie erkannt hat, gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 AO zu berichtigen. Dies gilt selbst dann, wenn der vorherige Geschäftsführer um die Unrichtigkeit der von ihm abgegeben Steuererklärungen gewusst hat.[1]

Die von einem Erben durch eine unterlassene Berichtigung gem. § 153 Abs. 1 AO begangene Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) führt nicht zu einer weiteren Verlängerung der Festsetzungsfrist, wenn diese sich schon aufgrund einer Steuerhinterziehung des Erblassers nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf zehn Jahre verlängert hatte.[2]

Erkennt der Steuerpflichtige erst im Nachhinein die Fehlerhaftigkeit der von ihm abgegebenen Erklärung und kommt seiner Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO unverzüglich nach, liegt weder eine Steuerhinterziehung noch eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, da es sowohl am Vorsatz als auch an der Leichtfertigkeit fehlt. Eine solche Anzeige und Berichtigung stellt keine straf- oder bußgeldbefreiende Selbstanzeige dar. Nachträgliches Erkennen bedeutet, dass der Steuerpflichtige bei Abgabe der Erklärung die Unrichtigkeit zunächst nicht erkannt hat.[3]

Erkennt der Steuerberater nachträglich, dass der Mandant, möglicherweise auch durch ihn, gegenüber der Finanzverwaltung falsche Angaben gemacht hat, so ist er nicht zur Berichtigung verpflichtet. Er gehört nicht zu den berichtigungspflichtigen Personen nach § 153 AO. Er würde sich möglicherweise sogar strafbar machen (§ 203 StGB, Geheimnisverrat), würde er die Angaben ohne Rücksprache berichtigen. Er kann nur versuchen, seinen Mandanten von der Zweckmäßigkeit einer Selbstanzeige zu überzeugen.[4]

Eine eigene Berichtigungspflicht aus § 153 AO hat der Steuerberater nicht. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Steuerberater in die Rolle des gesetzlichen Vertreters nach § 34 AO oder die des Verfügungsberechtigten nach § 35 AO tritt.[5]

Am 23.5.2016 hat die Finanzverwaltung eine Verwaltungsanweisung zur Abgrenzung einer Berichtigung von Erklärungen nach § 153 AO von einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO herausgeben bzw. den Anwendungserlass der AO zu § 153 AO ergänzt.[6]

Seit 1.1.2023 besteht auch eine Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 4 AO, wenn Prüfungsfeststellungen einer Außenprüfung unanfechtbar in einem Steuerbescheid, einem Feststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO oder einem Teilabschlussbescheid nach § 180 Abs. 1a AO umgesetzt worden sind und die den Prüfungsfeststellungen zugrunde liegenden Sachverhalte auch in einer anderen vom oder für den Steuerpflichtigen abgegebenen Erklärung, die nicht Gegenstand der Außenprüfung war, zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt. Die neue Regelung bezweckt u. a. die Beschleunigung von Außenprüfungen.

[1] FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 9.5.2023, 9 K 9157/22.
[2] BFH, Urteil v. 21.6.2022, VIII R 26/10, BFH/NV 2023 S. 50.
[3] Auszug aus dem Diskussionsentwurf des eines Anwendungserlasses zur Abgrenzung § 153 AO von der Selbstanzeige des BMF v. 16.6.2015.
[4] 5.2.7 Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zur steuerstraf- und bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit des Steuerberaters und der damit in Verbindung stehenden Interessenkollisionen v. September 2022.
[5] 5.1.2 Hinweise der Bundessteuerberaterkammer für die Tätigkeit des Steuerberaters als Testamentsvollstrecker v. Juni 2021.
[6] BMF, Schreiben v. 23.5.2016, IV A 3 – S 0324/15/10001, BStBl 2016 I S. 490.

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