Prof. Dr. Peter Bilsdorfer
Eine Selbstanzeige entfaltet, auch wenn sie die in § 371 Abs. 1 AO genannten Voraussetzungen erfüllt, dann keine Wirksamkeit, wenn einer der Ausschlussgründe vorliegt (§ 371 Abs. 2 AO). Dabei gilt es darauf zu achten, dass die Sperrwirkung möglicherweise nur Teilbereiche einer Steuerhinterziehung erfasst, sodass für den Restbereich sehr wohl eine (wirksame) Selbstanzeige denkbar und sinnvoll ist.
Überdies kann auch einer – wegen des Vorliegens eines Sperrtatbestands – "verunglückten Selbstanzeige" im Rahmen der späteren Strafzumessung Bedeutung zukommen, als sie als "reumütiges Verhalten nach der Tat" strafmildernd Berücksichtigung finden kann.
2.6.1 Bekanntgabe der Prüfungsanordnung
Auch der Erhalt der Prüfungsanordnung schließt eine wirksame Selbstanzeige aus. Eine nur mündlich erteilte Anmeldung zur Prüfung reicht hingegen nicht aus.
Streit kann insbesondere darüber entstehen, ob eine Prüfungsanordnung wirksam bekannt gegeben worden und ob diese rechtmäßig ist. Denn nur eine solche rechtmäßige Prüfungsanordnung löst die Sperrwirkung aus.
In § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a AO ist aktuell der Begriff des "Täters" durch den Begriff des "an der Tat Beteiligten" ersetzt worden. Dadurch erstreckt sich künftig die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a AO auch auf Anstifter und Gehilfen. Wenn z. B. einem Täter einer Steuerhinterziehung die Prüfungsanordnung nach § 196 AO für eine steuerliche Außenprüfung bekannt gegeben, kann künftig der Gehilfe keine wirksame Selbstanzeige mehr erstatten. Bislang hatte die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung an den Inhaber des Unternehmens keine Auswirkungen auf aktive oder ehemalige Mitarbeiter. Dies ist nunmehr geändert worden, wobei es nicht einmal mehr notwendig ist, dass der Mitarbeiter von der Prüfungsanordnung Kenntnis hat.
Ergänzend sei darauf verwiesen, dass sowohl nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a AO wie auch nach§ 371 Abs. 2 Satz 2 AO eine strafbefreiende Selbstanzeige für Zeiträume, die nicht von der Prüfungsanordnung umfasst sind, möglich bleibt.
2.6.2 Erscheinen des Prüfers
Sofern vor der Abgabe der Selbstanzeige ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist, schließt dies nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c, d AO eine wirksame Selbstanzeige aus.
Der Begriff des Amtsträgers ist weit gefasst. Er umfasst insbesondere die Außenprüfung, also Betriebsprüfer, Fahndungsprüfer, Lohnsteueraußenprüfer, Umsatzsteuersonderprüfer, aber auch sonstige Beamte, die mit einem – evtl. speziellen – Prüfungsauftrag erscheinen, wie Prüfer der sog. betriebsnahen Veranlagung. Erscheint also – infolge der Durchsuchung bei einer Bank – ein Prüfer der betriebsnahen Veranlagung bei dem Steuerpflichtigen, um die Kapitaleinkünfte "abzugleichen", bewirkt das Prüfererscheinen den Eintritt der Sperrwirkung. Das Gleiche gilt für die Umsatzsteuer-Nachschau, nach deren Beginn grundsätzlich kein Raum mehr für eine Selbstanzeige besteht.
Von entscheidender Bedeutung ist die Frage nach dem Umfang der Sperrwirkung. Der Wortlaut selbst enthält nunmehr in § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO – wie auch in § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO Beschränkungen, und zwar für den "sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung". Bei Steuerfahndungsprüfungen, die keine Prüfungsanordnung voraussetzen, kommt es auf den sachlichen Umfang der Prüfung an, wobei jedoch die Rechtsprechung den sachlichen Zusammenhang weit zieht. Insoweit ist auf § 371 Abs. 2 Nr. 1 d AO zu verweisen, der nunmehr einen eigenständigen Sperrgrund schafft, nämlich das Erscheinen eines Amtsträgers zur steuerstrafrechtlichen Ermittlung. Hieran wird deutlich, dass bei steuerstrafrechtlichen Ermittlungen die Beschränkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1 a, c AO nicht gilt, sich die Sperrwirkung – wie bisher – auf sämtliche Steuerarten und -zeiträume bezieht, die Gegenstand der Ermittlungen sind.
2.6.3 Einleitung des Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens
Eine wirksame Selbstanzeige ist auch dann nicht mehr möglich, wenn dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter zuvor die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist. Hierzu rechnen wiederum Täter, Anstifter und Gehilfen.
Es kommt dabei nicht auf die Einleitung selbst, sondern auf deren Bekanntgabe an.
Hat die Steuerfahndung ein Steuerstrafverfahren gegen einen Steuerpflichtigen per Aktenvermerk eingeleitet, dies dem Betroffenen aber noch nicht eröffnet, kann dieser noch Selbstanzeige erstatten.
Für die Frage, wie weit die Sperrwirkung reicht, ist die Einleitung mit dem bekannt gegebenen Inhalt maßgebend. So hindert denn auch die Einleitung eines Verfahrens wegen unrichtiger Erbschaftsteuererklärung nicht die Selbstanzeige wegen vorangegangener Schenkung, auch ist die Einleitung des Verfahrens wegen Vermögensteuerhinterziehung nicht hinderlich für die Selbstanzeige bezogen auf die Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer.