Prof. Dr. Peter Bilsdorfer
Selbstanzeigen werden innerhalb der Finanzverwaltung der Bußgeld- und Strafsachenstelle zugeleitet. In der Regel erfolgt die Überprüfung alsdann im Rahmen eines von dieser Dienststelle eingeleiteten Strafverfahrens. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle prüft, ob die Angaben für eine wirksame Selbstanzeige ausreichen. Ist der Sachverhalt weiter aufklärungsbedürftig, hat die Bußgeld- und Strafsachenstelle die Ermittlungen selbst durchzuführen oder zu veranlassen.
Kommt es zu einem Sachverhalt, bei dem das Vorliegen des persönlichen Strafaufhebungsgrundes nach § 371 AO in Frage steht, so kann nicht etwa die Veranlagungsstelle hierüber entscheiden. Die Antwort darauf geben allein die Strafverfolgungsbehörden. Ist der Erkenntnisstand mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben so weit gediehen, dass eine abschließende (für den sich Anzeigenden positive) Entscheidung getroffen werden kann, dann lautet diese auf Einstellung des Verfahrens.
Was aber, wenn die Angaben in der Anzeige im Rahmen eines eingeleiteten Strafverfahrens weitere Maßnahmen zur Klärung des Sachverhalts erfordern?
Als Konsequenz der Einleitung des Strafverfahrens ändert sich die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen (§ 33 AO), der nunmehr zugleich zum Beschuldigten wird. Nach § 393 Abs. 1 AO richten sich die Rechte und Pflichten im Besteuerungsverfahren dennoch weiterhin nach den für dieses Verfahren geltenden Vorschriften.
Mit Einleitung des Ermittlungsverfahrens, also konkret, sobald eine Maßnahme getroffen wird, die erkennbar darauf abzielt, gegen den Betroffenen wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen, sind nach § 393 Abs. 1 Satz 2 AO Zwangsmittel gegen den Steuerpflichtigen unzulässig, wenn er dadurch gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten.
§ 386 Abs. 1 Satz 1 AO weist die Ermittlungszuständigkeit bei dem Verdacht einer Steuerstraftat der Finanzbehörde zu und bestimmt, dass Finanzbehörde im Sinne dieses Abschnitts das Hauptzollamt, das Finanzamt, das Bundeszentralamt für Steuern und die Familienkasse sind. Alsdann befasst sich § 387 AO mit der sachlichen Zuständigkeit, wobei regelmäßig eine Konzentration auf Bußgeld- und Strafsachenstellen stattgefunden hat.
Eine spezielle Aufgabenzuweisung etwa in Richtung der Steuerfahndung resultiert aus § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, wonach Aufgabe der Steuerfahndung die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten ist. Und eben diese Aufgabenstellung kann sich bei der Überprüfung einer Selbstanzeige ergeben. Dies etwa dann, wenn ein Sachverhalt ausgefächert ist und nicht allein "vom grünen Tisch" aus überprüft werden kann. Hier kann also ohne Weiteres die Steuerfahndung mit einer derartigen Überprüfung beauftragt werden. Dabei ermittelt die Steuerfahndung zeitgleich auch die Besteuerungsgrundlagen (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO).
Allerdings ist diese Aufgabenzuweisung keine ausschließliche. Der BFH klärt dies anhand des § 193 AO. Für die Anordnung einer Außenprüfung ist nämlich unerheblich, ob hinsichtlich der betroffenen Steuerarten und Besteuerungszeiträume der Anfangsverdacht einer Steuerstraftat besteht. Dies gilt auch, soweit die erstmalige Anordnung einer Außenprüfung in Rede steht. Insoweit sei nicht zwischen erstmaligen Prüfungen und Anschlussprüfungen zu unterscheiden. Denn die Anordnung einer Außenprüfung ist auch zulässig, soweit ausschließlich festgestellt werden soll, ob und inwieweit Steuerbeträge hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden sind. Eine sich insoweit gegenseitig ausschließende Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung besteht nach Meinung des BFH nicht. Es ist danach möglich und zulässig, dass Ermittlungsmaßnahmen des Außenprüfers eine Doppelfunktion haben: die Ermittlung des steuerlichen und die des strafrechtlichen Sachverhalts. Damit sollte feststehen, dass statt der Steuerfahndung auch die Außenprüfung mit der Untersuchung der strafrechtlich relevanten Fragen im Zusammenhang mit einer Selbstanzeige beauftragt werden kann.