Ass. jur. Viola C. Didier
Leitsatz
Unentgeltliche Mahlzeiten für angestellte Kinderheimbetreuer stellen eine notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen dar und sind kein lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn, wenn eine Weisung des Arbeitgebers zur Teilnahme besteht und die Maßnahme einerseits der Überwachung dient und andererseits das Ziel verfolgt, eine familienähnliche Alltagstruktur zu schaffen.
Sachverhalt
Streitig war, ob eine unentgeltliche Mahlzeitengewährung an Kinderheimbetreuer einen lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteil darstellt. Der Betreiber eines Kinderheims hatte jeden angestellten Betreuer mündlich angewiesen, im Rahmen der Betreuung und Versorgung der Kinder auch an den Mahlzeiten mit ihnen teilzunehmen. Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass die seitens des Betreibers gewährten unentgeltlichen Mahlzeiten einen geldwerten Vorteil darstellten und daher als Arbeitslohn der Lohnsteuer zu unterwerfen seien.
Entscheidung
Vor dem Finanzgericht hatte der Heimbetreiber Erfolg. Der Prüfer habe zu Unrecht in der unentgeltlichen Gewährung der Mahlzeiten einen lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteil erblickt. Nach Würdigung der Gesamtumstände sei anzunehmen, dass der in der unentgeltlichen Essensabgabe liegende Vorteil für die Betreuer nahezu ausschließlich eine notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung ist. Wie auch in dem vom BFH entschiedenen Fall der Gewährung unentgeltlicher Verpflegung von Betreuern in einem Ferienlager (vgl. BFH, Urteil v. 28.2.1975, VI R 28/73, BStBl 1976 II S. 134) stehe auch hier die betriebsfunktionale Zielsetzung im Vordergrund. Die gemeinsamen Mahlzeiten waren zum einen aus Gründen der Überwachung der Kinder erfolgt, zum anderen aus pädagogischen Gründen, um möglichst nahe an familiäre Alltagsstrukturen heranzureichen. Da sich die Betreuer überdies aufgrund der arbeitsvertraglichen Pflicht den gemeinsamen Mahlzeiten nicht entziehen konnten, liege allenfalls eine aufgedrängte Bereicherung vor (vgl. Niedersächsiches FG, Urteil v. 19.2.2009, 11 K 384/07, DStRE 2010 S. 1162). Doch auch unter Berücksichtigung des eher geringeren Werts des in der Essensgewährung liegenden Vorteils könne hier nicht die betriebsfunktionale Zielsetzung in Frage stehen. Schließlich sei in diesem Zusammenhang auch noch zu berücksichtigen, dass die unentgeltliche Essensgewährung ausschließlich an die Betreuer, nicht jedoch an anderes Personal des Kinderheims (wie bspw. das Reinigungspersonal) erfolgte. Auch dies spreche dafür, dass die betriebsfunktionale Zielsetzung der Maßnahme eindeutig im Vordergrund stand.
Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.
Hinweis
Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die "für seine Arbeitsleistung gewährt werden" (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, vgl. BFH, Urteil v. 11.3.2010, VI R 7/08, m.w.N.). Ob sich eine unentgeltliche oder verbilligt überlassene Sachzuwendung, wie z.B. Mahlzeiten, als geldwerter Vorteil oder als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung des Arbeitgebers erweist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Im Gegensatz zum entschiedenen Fall wird beispielsweise in der Gewährung von Verpflegungsleistungen an Haus-, Hotel- oder Krankenhausangestellte i. d. R. steuerpflichtiger Arbeitslohn gesehen (vgl. BFH, Urteil v. 28.2.1975, VI R 28/73, BStBl 1976 II S. 134).
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 23.01.2012, 5 K 64/11