Lorenz Rossmann, Dr. Jan Christoph Munck
1.1 Was bedeutet Small Data?
In den Unternehmen wird heutzutage häufig versucht, durch das teilweise Automatisieren manueller Prozesse die Effizienz im Controlling zu erhöhen. Dafür werden statistische und Machine-Learning-Methoden in die Arbeitsabläufe und Prozesse integriert. Mit deren Hilfe sollen Abläufe verkürzt und wenig inhaltliche Aufgaben des Controllers, wie die Datenakquise und -aufbereitung, durch tiefergreifende Analysen und Managementunterstützung ersetzt werden. Diese Art der Effizienzsteigerung und Fokussierung der Controller durch Automatisierung ist ein Trend, der seit mehreren Jahren zu beobachten ist und durch Begriffe wie Big Data und Advanced Analytics geprägt wurde.
Diese Begriffe verdeutlichen auch, dass die Grundlagen für die digitale Transformation von Controllingaufgaben häufig historische Daten sind. Unternehmenseigene Zahlen liegen zwar typischerweise über einige Jahre rückwirkend vor, liefern aber nur überschaubare Datenmengen. In diesem Fall sprechen wir nicht von Big Data, sondern von Small Data. Die Arbeit mit kleineren und überschaubaren Datenmengen hat 3 Hauptvorteile:
- Kleinere Datenmengen lassen sich mit gängigen Tabellenkalkulationswerkzeugen analysieren und darstellen.
- Benötigtes Prozess- und Domänenwissen zum Verständnis der Daten kann schnell erarbeitet werden.
- Die Organisation kann mit geringem Aufwand erste Erfahrungen im Umgang mit Data Scientists sowie im Einsatz von künstlicher Intelligenz und Advanced Analytics machen.
Im Vergleich zu Big-Data-Projekten sind die potenziellen positiven Auswirkungen von Small-Data-Projekten auf ein Unternehmen oder eine Abteilung geringer, allerdings sind die Aufwände und Ressourcen auch wesentlich geringer. Liegt eine Digitalstrategie der Finanz- oder Controlling-Abteilung vor, sollten Use Cases von dieser Strategie abgeleitet werden. Damit können Ressourcenallokation und unternehmensweite Effektivität in der digitalen Transformation verbessert werden.
Das Projektbeispiel, anhand dessen wir die Erkenntnisse mit Small-Data-Projekten darstellen, war die prototypische Entwicklung eines automatisierten Liquiditätsforecastings. Das Projekt wurde bei einem multinationalen Automobilkonzern bis Anfang des Jahres 2020 durchgeführt. Bevor das Vorgehensmodell dargestellt wird, soll zuerst auf die Relevanz des Liquiditätsforecastings eingegangen werden.
1.2 Liquiditätsforecasting
Das Cash Management ist neben dem Risikomanagement und Tätigkeiten im Corporate Finance die Kernaufgabe der Treasury-Abteilung. Das Cash Management hat folgende Aufgaben:
- die Verwaltung der Forderungen und Verbindlichkeiten,
- die Berechnung der Konten sowie deren Abgleich mit GuV-Positionen,
- deren Reporting und die Planung der Zahlungsströme.
Das Ziel des Cash Managements ist die andauernde Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens.
Die Planung der Zahlungsströme und deren Forecasting, das Liquiditätsforecasting, sind für den Treasurer dabei besonders wichtig, denn sie dienen sowohl dem Cash Management als auch dem Risikomanagement. Im Kern geht es beim Liquiditätsforecast um die frühzeitige Identifizierung von Finanzierungsbedarfen auf Konzernebene oder in einzelnen Konzerngesellschaften.
Dies zeigt sich auch in der Bedeutung des Liquiditätsforecastings für die Agenda des Treasurers. In einer 2019 veröffentlichten Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatungsgesellschaft PwC steht es auf der Agenda der Treasury-Chefs und CFOs an erster Stelle. Während der Coronakrise hat das Liquiditätsmanagement und -Forecasting nochmal an Bedeutung gewonnen.
Der Begriff "Forecasting" bedeutet jedoch nicht, dass spezifische Forecastingmethoden eingesetzt werden. Er beschreibt lediglich den Prozess der Vorhersage und Bewertung eines zukünftigen Zustands. Die statistischen und Machine-Learning-basierten Forecastingmethoden, die hierfür eingesetzt werden, sind bereits gut erforscht und sind nicht der zentrale Gegenstand dieses Artikels.
Die Verbindung zum Controlling erfolgt über die Planung der Liquidität, die Teil der Planungsaktivitäten im Rahmen der Planung und Budgetierung ist und den ersten Schritt im Finanzcontrolling-Zyklus ausmacht (dem dann das Finanzbudget, die Durchführung der geplanten Aktivitäten sowie die Finanzkontrolle folgen, vgl. Horváth 2019, S. 41). D. h. Forecast und Planung der Liquidität sollten integrativ erfolgen und der Controller sollte im Zusammenhang mit dem Finanzcontrolling auch instrumentelle und informationelle Unterstützung der Liquiditätssicherung anbieten.
1.3 Vorgehensmodell zur Automatisierung des Liquiditätsforecastings
Dieser Artikel stellt einen Ansatz zur Verwendung von Small Data und ein Vorgehensmodell zur Orientierung bei Projekten zur Automatisierung von Controlling- und Treasuryaufgaben im Zusammenhang m...